Winterschlaf beim Igel – Infos zu Beginn, Dauer, Körpertemperatur etc.
Inhaltsverzeichnis
Wer bei dem Gedanken an „Winterschlaf“ einen Hauch von Neid verspürt, wird nach Lesen dieses Artikels davon befreit sein – der Winterschlaf ist für den Igel eine hoch anstrengende und komplizierte Angelegenheit, mit Vorbereitung, zwischendurch Aufwachen, vielen speziell angepassten Stoffwechselvorgängen und so weiter. Weil bei den mit dem Winterschlaf verbundenen Prozeduren einiges schiefgehen kann, gibt es die Igel-Überwinterungsstationen, in die aber auch nicht jeder zu leicht erscheinende Igel einfach mal schnell transportiert werden darf. Deshalb ist es von Vorteil, wenn tierliebe Menschen ein wenig mehr wissen über den Igel-Winterschlaf:
Warum verschläft der Igel den Winter?
Dumme Frage, werden die Sommer-Sonne-Beach-Freaks unter den Lesern sagen. Aber so einfach wie abends Bettchen machen, sich hineinlegen und die Decke über den Kopf ziehen ist die Sache mit dem Winterschlaf nicht. Sondern ein komplizierter Vorgang, der sich am besten unter dem Stichwort „Kluges Energie-Management“ zusammenfassen lässt.
Der Igel hat durch sein Stachelkleid einen Vorteil bei der Abwehr von Feinden, der aber durch einen entscheidenden Nachteil erkauft wird: Es ist eben kein Stachel-„kleid“, noch nicht einmal ein dünnes Sommer-Fähnchen mit ausgefallenem Design; schon im Sommer verbraucht der Igel wegen der schlechten Wärmeisolierung des Rückens sehr viel Stoffwechselwärme, um seine Körpertemperatur von ca. 34° C stabil zu halten. Ab Herbst nimmt das ohne Anstrengung erreichbare Nahrungsangebot ab, der Igel wird dünner und hat mit der Regulierung der Körpertemperatur noch mehr Schwierigkeiten. Besser wird die Isolierung des zum Aufrichten der Stacheln gut mit Nerven durchzogenen und durchbluteten Rückens nur mit einer dicke Fettschicht, die ihn bei Nahrungssuche/Jagd wiederum sehr behindert – die konsequente Lösung dieses Problems ist für den Igel, dass er das Essen einstellt und sich einfach schlafen legt.
Es gibt einige Tiere, die sich im Winter zur Ruhe begeben, z. B. Braunbären, Dachse, Eichhörnchen, einige Fledermäuse, Marderhunde und Waschbären. Auch sie schränken als Reaktion auf ungünstige Außenbedingungen bzw. das eingeschränkte Nahrungsangebot im Winter ihren Energiebedarf stark ein, behalten aber wie bei einer Art langem Schlaf ihre Körpertemperatur bei und erwachen im Winter mehrfach. Um Beute zu suchen, neue Vorräte zu sammeln oder die im Sommer angelegten Vorräte zu vertilgen (typische tragische Momente im Eichhörnchen-Leben: sie haben mal wieder vergessen, wo sie was abgebunkert haben).
Der Winterschlaf vom Igel (und den meisten Fledermäusen, Haselmäusen, Murmeltieren und Siebenschläfern) fordert den Stoffwechsel mehr als eine bloße Winterruhe:
- Die Körpertemperatur passt sich der niedrigen Umgebungstemperatur an
- Die Warmblüter werden also vorübergehend zu wechselwarmen Tieren (bei denen wird der Winterschlaf allerdings Kältestarre genannt)
- Das im Sommer etwa 200 x pro Minute schlagende Herz schlägt nur noch 2-12 x pro Minute
- Im Sommer holt der Igel ca. 50 x pro Minute Luft, im Winterschlaf reichen ihm 13 Atemzüge pro Minute
- Mehrere Körperorgane arbeiten auf Sparflamme, was z.B. den Blutzuckerspiegel drastisch absinken lässt
- Aber sie arbeiten, auch bei Ernährung durch das eigene Fett fallen Stoffwechselprodukte an, die eigentlich täglich ausgeschieden würden
- Diese Produkte aus Leber, Niere, Darm usw. sammeln sich im Winter im unteren Teil des Darms und werden sofort nach Erwachen entsorgt
- Im Notfall sorgt eine Feinsteuerung dafür, dass der Igel nicht im Schlaf erfriert
- Ab etwa 5° C Außentemperatur abwärts produziert der Igelkörper Wärme, um die lebenswichtige Minimaltemperatur zu erhalten
- Den Winterschlaf verbringt der Igel natürlich zusammengerollt zur „uneinnehmbaren Stachelkugel“
- Deshalb können auch seine Sinnesorgane abschalten, er reagiert kaum mehr auf mechanische Reize
Insgesamt fährt der Igel seine Stoffwechselvorgänge auf eine unglaublich geringe Rate herunter: Mit 1 bis 5 % der Leistung im aktiven Zustand verbringt der Igel durchschnittlich fünf Monate der nahrungsarmen, kalten Jahreszeit schlafend und erwacht im Frühjahr abgemagert, aber gut erholt.
Voraussetzungen für einen erholsamen Winterschlaf
Damit der lange Winterschlaf der Konstitution des Igels nicht schadet, braucht es einige Vorbereitung:
- Der Igel muss sich im Sommer ein Fettpolster von ausreichender Dicke anfressen, das ihn monatelang ernähren kann
- Der durchschnittliche ausgewachsene Igel geht im Optimalfall mit einem Gewicht von mehr als 1.500 Gramm in den Winter
- Wenn die Fettreserven im Frühjahr aufgebraucht sind, wiegt der Igel im Extremfall nicht mehr als 350 Gramm
- Über die warme Saison hat dieser Igel also gut 400 % zulegen
- Hieße für eine 50-kg-Frau, am Ende des Sommers 200 kg wiegen zu müssen; selbst für Cola-Fans eine Leistung
- Kurz vor Erreichen des Optimalgewichts muss dann noch das Winterquartier eingerichtet werden
- Der Igel sucht einen von vornherein etwas vor Kälte schützenden Ort, hohlen Baumstamm, Erdhöhle, etc.
- Der wird mit Haaren und Blättern, Heu und Stroh ausgepolstert, bis die Isolierung stimmt
- Wenn der Igel die „kulinarische“ Leistung und die Bauleistung vollbracht hat, läuten die Glocken schon ziemlich in Richtung Winterschlaf
- Zuerst gehen die männlichen Igel schlafen, oft schon Anfang Oktober
- Dann die Igelweibchen, die nach der anstrengenden Aufzucht der Jungen erst Gewicht zulegen müssen
- Kurz bevor die Kälte bedrohlich wird, legen sich die Jungigel schlafen
- Diese Mini-Igel mussten erst einmal einem vernünftigen Winterschlafgewicht entgegen wachsen
Was gibt die Initialzündung für den Winterschlaf?
Welche Einflüsse dazu führen, dass sich der Igel „am 17. Oktober um 18.30 Uhr schlafen legt“, ist noch nicht bis ins Detail erforscht. Das zurückgehende Nahrungsangebot spielt eine Rolle, die abnehmende Tageslichtlänge und die sinkendem Temperaturen mit Sicherheit auch. Aber sie lösen wohl nur eine Art „Winterschlafbereitschaft“ aus, parallel startet eine hormonelle Umstellung im Igelkörper: Die nachlassende Bestrahlung mit ultraviolettem Licht durch die schwächer werdende Sonne fährt die körpereigene Vitamin-D-Produktion herab, was die Erzeugung von sogenannten Erstarrungshormonen in Gang setzen soll.
Darüber hinaus sollen die Igel nach Ansicht der Experten über eine innere Uhr verfügen, die den Tieren einen jahreszeitlich bedingten Rhythmus vorgibt. Sie bestimmt, wann die Zeit zur Bildung von Fettdepots gekommen ist; wenn die Fettdepots wachsen, wächst auch die Schlafbereitschaft und die Bereitschaft zur Einrichtung einer Schlafhöhle; eventuell gibt der narkotisierende Einfluss der höheren Kohlendioxidkonzentration in dieser Schlafhöhlen dann den initialen Startschuss zum Winterschlaf. Wie gesagt, alles noch nicht ganz genau erforscht, bloß einfach an Zeit oder Temperatur lässt sich der Beginn des Winterschlafs eben nicht festmachen. Wenn es soweit ist, braucht der Igel etwa 5 bis 6 Stunden, bis der Stoffwechsel „winterschlafmäßig heruntergefahren ist“.
Winterschlafdauer und Aufwach-Prozedur
Igel halten je nach Klima, Alter, körperlicher Beschaffenheit und Beschaffenheit der Schlafhöhle zwischen vier und sechs Monaten Winterschlaf. In der Regel nicht durchgehend, das Schaffen nur Fledermäuse (deren Winterschlafquartiere hoch oben im Kirchturm oder in einer Höhle aber auch maximale Ungestörtheit garantieren), aber die normalen Unterbrechungen sind gewöhnlich eher kurz. Manchmal erwachen die Igel, bleiben aber im Nest und schlafen kurz darauf weiter; manchmal verlassen sie ihr Nest auch und sind ein paar Tage aktiv. Warum das passiert, weiß man auch noch nicht genau, als Ursache wird momentan eine Art „Reset“ vermutet; der massiv gesenkte Stoffwechsel wird (sicherheitshalber?) zwischendurch einmal auf die normalen Werte zurückgesetzt.
Ein Erwachen mit anschließendem Verlassen des Nests ist gewöhnlich zu beobachten, wenn draußen länger Temperaturen um 10 °C oder höher herrschen. Wie das Einschlafen dauert der Aufwachvorgang mehrere Stunden, verursacht aber im Gegensatz zum Einschlafen einen enormen Energieverbrauch. Während des Schlafs wird vor allem weißes Rückenfett verbraucht, für den anstrengenden Aufwachvorgang hat der Igel spezielles braunes Fett im Schulterbereich eingelagert.
Die Durchblutung steigt während dieses Erwachens auf das Fünffache der Winterschlaf-Werte, Herz- und Atemfrequenz werden stark beschleunigt, die Muskeln (besonders die der Beine) zittern heftig. Wenn diese Aufwachphase den Frühling einläutet, hat der Igel durchschnittlich 30 % seines Körpergewichts verloren. Seine ersten Aktivitäten sind deshalb verständlicherweise der Nahrungssuche gewidmet, gleich danach geht es auch schon um die Fortpflanzung, damit der Nachwuchs bis zum nächsten Winterschlaf groß genug ist.
Winterhilfe für Igel – keine einfache Entscheidung
Der Igel verschläft nur dann rund fünf Monate der kalten Jahreszeit und erwacht im Frühjahr gut erholt, wenn rund um den Winterschlaf alles gut gegangen ist. Wie es im Leben so ist, kann bei einer solchen komplizierten Prozedur wie dem Winterschlaf natürlich einiges schiefgehen.
Die Suche nach einem morschen Baum oder einer Höhle zum Ausbau einer prächtigen Schlafhöhle kann ohne Erfolg bleiben, ein Baum kann zu morsch sein und mit halb ausgebauter Höhle auseinanderbrechen, die als passend identifizierte Erdhöhle stürzt mitten im Ausbau ein … jeder Mensch, der einmal ein Haus gebaut hat, kann diese Liste mit ein wenig Phantasie endlos fortsetzen.
Die Igel können sich zu spät an die Fortpflanzung gemacht haben; was vom Elternpaar nur das Weibchen betrifft, das nun Mühe hat, sich ein ausreichendes Wintergewicht anzufressen („Papa Igel“ legt sich ungerührt und früh schlafen). Richtig problematisch wird die Geburt spät im Jahr für die Jungigel, die Zeit zum Wachsen und Zeit zum Winterspeck anfressen brauchen; bis Anfang November sollte der junge Igel mindestens 500 Gramm zugelegt haben, damit er den ersten Winterschlaf aus eigener Kraft zu übersteht.
Jungigel, die das nicht rechtzeitig schaffen, sind die normalen Gäste der Igel-Stationen; aber auch zu langsam ausheilende Verletzungen können dazu führen, dass ein Igel kein ausreichendes Winterschlafgewicht erreichen kann.
Das wichtigste in Bezug auf „menschliche Hilfe für Igel“ ist jedoch, nicht etwa jeden eventuell zu leichten Igel gleich einzupacken und zur Igel-Hilfe zu bringen. Ganz in Gegenteil sollten Sie dem Igel erst einmal überhaupt nicht zu nahe kommen, wenn nicht sicher ist, dass dies wegen ernsthafter Verletzungen dringend notwendig ist. Auch dann ist möglichst nicht der Igel-Neuling an der Reihe, sondern es sollte fachkundige Hilfe herangeholt werden.
Sie können dennoch sehr viel tun, um den Igeln in Ihrer Region zu helfen, und die Vorbereitung für diese Hilfe liegt schon im Sommer oder im Herbst. Gestalten Sie Ihren Garten so „igelfreundlich“, wie es nach den Vorschlägen im oben angegebenen Link ohne zu viel Aufwand möglich ist. Informieren Sie sich, wo die nächste Igelstation in Ihrer Nähe zu finden ist. Erkundigen Sie sich dort, ob und wie Sie den Igeln in Ihrer Umgebung durch herbstliche Zufütterung die Überwinterung erleichtern können; und ab wann es angebracht ist, einem offensichtlich unterernährten Igelkind Hilfe angedeihen zu lassen bzw. ihn über den Winter in Pflege zu nehmen (und welche Schritte im aktuellen Fall einzuleiten/zu beachten sind).
Im Allgemeinen brauchen Jung-Igel menschliche Hilfe, wenn sie kurz vor Wintereinbruch nicht ein Mindestgewicht von etwa 500 bis 600 g erreichen konnten, ein erwachsener Igel ist mit einem Gewicht zwischen 1000 und 1400 g (ist abhängig von Alter und Größe) „zu leicht zum schlafen gehen“. Aber schon die Beurteilung dieses Gewichts ist nicht ganz einfach, das menschlich betreute „Aufpäppeln“ bis zum richtigen Schlafgewicht erst recht nicht. Und dann gibt es bei der Winterpflege eines Igels auch noch zahlreiche Details zu beachten, vom richtigen Schlafquartier (und dessen Standort) über die Fütterung und Kontrolle im Winterquartier bis hin zur Betreuung des Aufwachens/der Vorbereitung zur Auswilderung.
Fazit
Nicht nur Igel brauchen heutzutage Überwinterungshilfe, sondern auch Vögel und vor allem die so gewaltig zurückgegangenen Insekten können in der kalten Jahreszeit Unterstützung gebrauchen. Bitte auch hier vorher informieren, damit Vogelfutter oder Insektenhotel wirklich optimale Hilfe bieten und Ihnen nur ganz wenig Arbeit machen; außerdem gibt mitunter „Sorgenkinder der Region“, die mehr Hilfe benötigen als andere Arten.