Weiße Erdbeeren, Ananaserdbeere – Anbau und Pflege-Tipps
Inhaltsverzeichnis
Die gerade so angesagten weißen Ananaserdbeeren sind keine neue Genmanipulation, sondern eine uralte Zuchtsorte der Gartenerdbeere. Diese echten Ananaserdbeeren kosten Sie im Handel/Restaurant aber nur selten, meist haben Sie es mit modernen Nachzuchten zu tun, die geschmacklich eher nicht überzeugen und für Handelszwecke auch noch halbreif geerntet werden müssen. Wirklich köstliche Ananaserdbeeren trägt nur die richtige Zuchtsorte, die Sie selbst im Garten anbauen und pflegen und in vollreifem Zustand ernten – wie Sie gleich lesen werden, auch für vielbeschäftigte Neu-Gärtner ohne Anbau-Erfahrung kein Problem:
Die echte Ananaserdbeere und ihre Besonderheiten
Das ursprüngliche weiße Wunder ist bei aller Besonderheit eigentlich eine ganz normale Zuchtsorte der Gartenerdbeere, bei der nur eine Namensübertragung stattgefunden hat: Die heutige Gartenerdbeere entstand um 1750 in Holland aus wiederholten Zufallskreuzungen zweier amerikanischer Erdbeer-Arten. Die „Kinder“ von Fragaria virginiana und Fragaria chiloensis trugen große, aber wunderbar süße Früchte, die Hybride der beiden Ausgangsarten wurde deshalb gerne in Anbau und Zucht aufgenommen – und erhielt den botanischen Namen „Fragaria × ananassa“. Wörtlich übersetzt „Ananas-Erdbeere“, ursprünglich wurde die Gartenerdbeere auch überall so betitelt (in Österreich manchmal heute noch).
Diese „Ananas-Erdbeere“ wurde sofort begeistert gezüchtet, bereits im späten 18. Jahrhundert berichten Quellen von weißen Erdbeersorten (von denen aber wohl keine bis heute überdauert hat). Die berühmte Ananaserdbeere, die bis heute diesen Namen und die weiße Farbe behalten hat, entstand 1860 in den USA. In der deutschen Genbank Obst wird als Züchter dieser weißen Fragaria × ananassa ‚White Pine‘ (offizieller botanischer Name) ein „Lanningaux“ oder „Lanny“ aus Germantown, Philadelphia aufgeführt. Dessen Nachfahren Sie nicht aufspüren müssen, um zur echten Ananaserdbeere zu kommen, aber ganz einfach ist das Original auch nicht aufzuspüren.
Es könnte sich dennoch lohnen: Das Aussehen dieser Ananaserdbeere ist sicher schon etwas Besonderes und die Früchte sind mit einem Durchmesser um 2 cm richtig niedlich winzig. Der Geschmack der echten Ananaserdbeere ist „noch besonderer“: Entstanden aus einer weißen Abart der Chile-Erdbeere (geschmacksliefernder Elternteil der Gartenerdbeere), trägt die Ananaserdbeere den typischen Erdbeergeschmack in Reinkultur in sich. Die hellere Fruchtfarbe verändert den Erdbeergeschmack zart und sorgt dafür, dass die Frucht bis zur Vollreife ziemlich säuerlich schmeckt. Bei Vollreife schmeckt die Ananaserdbeere dann deutlich süßer als die durchschnittliche rote Erdbeere und nach Meinung von Kennern einfach köstlich. Also auf zur Suche nach der echten Ananaserdbeere:
Ein reiches Angebot an Ananaserdbeeren
Eine Suche nach Ananaserdbeere (mit verschiedensten Stichworten) ergibt aktuell:
- Fragaria x ananassa ‚Anabella‘
- Die Weiße Ananas-Erdbeere ‚Natural White®‘
- Fragaria x ananassa Pineberry XL Snow White ist selbstfruchtend, bildet kaum Ausläufe
- Fragaria x ananassa ‚White Dream‘ gibt es als Befruchterpflanze
- Fragaria x ananassa ‚Natural Albino®‘
Klingt nach Vielfalt, sind aber in Wirklichkeit alles Klone einer Zuchtsorte, die 2010 mit großem Getöse von der britischen Supermarktkette Waitrose auf den Markt gebracht wurde. Waitrose ließ züchten, von einer Firma namens „Beekers Berries“, die heute zusammen mit „BerryWorld“ „BerryWorld Europe“ bildet, das aus „BerryWorld“ entstand und später zusammen mit „Vital Berry Marketing“ „VitalBerry“ formte – Sorry, sind mir im Moment ein paar „Berries“ zu viel, auf jeden Fall finden Sie unter berryworld.com/group/brand/europe die Pineberry, die für Waitrose gezüchtet wurde. Diese Pineberry wird vom Produzenten auch als ‚Natural Albino‘ vermarktet, weitere Klone sind unter den Handelsnamen White Dream, Anablanca, Anabella, Natural White im Angebot.
Die Zeitschrift Essen & Trinken berichtete über die „Pineberries mit Ananasgeschmack, Weiße Erdbeeren, Pineberry, Fruitilla Chilena oder Fresa de Chile“, die im Geschmack nur noch entfernt an die normale Erdbeere erinnern und eher wie Ananas schmecken soll.
Der britische Guardian berichtete auch, seine Mitarbeiter haben die neue Wundererdbeere aber auch gekostet. Die Reaktionen sind recht erhellend, hier die schönsten Zitate: Der food editor: „smells like strawberry, tastes like … water … with sweetener in it – it’s disgusting.“ Restaurantkritiker Jay Rayner (Autor von „The Man Who Ate the World: In Search of the Perfect Dinner“, u. a.): „Basically, it’s an unripe strawberry. Just because it can be sold doesn’t mean it should“. A food loving Journalist: „What the hell? … Um … Whoa … So it’s some kind of freakish strawberry that doesn’t taste very nice.“ Overall verdict: „It doesn’t taste anything like a pineapple, it tastes like a sharp – and quite unpleasant – strawberry.“ Sinngemäß und kurz übersetzt: „Nach Wasser mit Süßstoff schmeckende, unreife Freak-Erdbeeren, insgesamt ziemlich scheußlich“ (allerdings kosteten auch die Journalisten halbreif geerntete Erdbeeren; selbst geerntete Erdbeeren bringen schon deshalb viel mehr Geschmack, weil sie reif genossen werden können).
Bleibt von den gerade gelisteten Ananaserdbeere nur die Fragaria x ananassa Pineberry XL Snow White, die offiziell Fragaria x ananassa ‚hansawhit‘ heißt und vermutlich von der Häberli Fruchtpflanzen AG aus der Schweiz gezüchtet wurde (www.haeberli-beeren.ch/de/produkt/erdbeeren-fuer-hoehenlagen/289/snow-white-hansawhits). Genau ist das aber nicht herauszubekommen, viel mehr zu dieser einmaltragenden, mehrjährigen Ananaserdbeere auch nicht – eine Erdbeere zum Nachfragen bzw. Ausprobieren.
Wie gut, dass es die deutsche Genbank Obst gibt, geführt vom Julius Kühn-Institut (Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen) und mehreren Partnern. Wie gut, dass die echte Fragaria × ananassa ‚White Pine‘ in der Genbank erhalten ist und dass es sich um ein staatliches Institut handelt, das die Ergebnisse seiner Arbeit jedem Bürger zur Verfügung stellt. Wenn Sie sich nicht mit eventuell „scheußlich“ schmeckenden Zuchtsorten herumärgern wollen, können Sie über die deutsche Genbank Obst Samen oder Ausläufer der originalen weißen Ananaserdbeere beziehen. Wie das geht, erfahren Sie unter werden.deutsche-genbank-obst.jki.bund.de/einfuehrung/zugangsbedingungen, die anteiligen zur Aufrechterhaltung der Sammlung erhobenen Kosten/Gebühren werden Sie im Vergleich zum Preis mancher „Wundererdbeere der Industrie“ eher angenehm überraschen.
Anbau
Die Ananaserdbeere wird im Grund angebaut wie die normale Gartenerdbeere, mit folgenden Besonderheiten:
- Es kommt noch mehr als bei roten Erdbeeren darauf an, dass sich im Boden keine geschmacksverderbenden Düngereste angereichert haben
- „Natur pur“ bringt den Geschmack dieser ungewöhnlichen Sorte nun einmal am besten zur Geltung
- Auch für organische Nährstoffe gilt also: Mit einer kräftigen Portion Gülle sollten die Nährstoffe bei der Bodenvorbereitung besser nicht eingebracht werden
- Der große Anteil Chile-Erdbeere aus dem warmen Südamerika macht die Ananaserdbeere eher kälteempfindlich
- So sollte sie erst nach draußen gepflanzt werden, wenn wirklich jede Spätfrostgefahr vorbei ist
- Pflanzen mit heller Farbe holen das Optimum aus dem Licht heraus, aber mindestens 6 Stunden Sonne täglich braucht die Ananaserdbeere
Pflege
Auch die Pflege der Ananaserdbeere gestaltet sich im Grund wie die Pflege der normalen Gartenerdbeere; die echte Ananaserdbeere hat nur gegenüber der roten Verwandten mehrere entscheidende Vorteile:
Virentäuscher
Die Ananaserdbeere gilt als virusfrei bzw. resistent gegen die üblichen Viren, die es auf (rote) Erdbeere abgesehen haben (geprüft für die echte alte Ananaserdbeere, nicht für deren Neuerfindung durch einen holländischen Beerenzüchter 2010.)
Züchter behaupten auch gerne, dass die weiße Ananaserdbeere von Vögeln nicht als „Naschware“ erkannt werde. Dieser Behauptung widersprechen mehrere Erfahrungsberichte aus Regionen/Städten mit adaptiven Vögeln, die schnell hinter die „Erdbeertarnung“ gekommen sind.
Reife-Anzeiger
Die Ananaserdbeere trägt ihren eigenen Reifeanzeiger in sich bzw. bei sich: Wenn die (bei normalen Erdbeeren gelblichen) Nüsschen knallrot sind, ist die Ananaserdbeere reif.
Die Ananaserdbeere ist nämlich kein Albino, sondern hat die Fähigkeit, Pigmente zu bilden, nur eben ein bisschen weniger, die ein bisschen heller gefärbt sind. Haustierbesitzer kennen das Problem: Katze und Hund mit hellem Fell haben Pigmente in Augen, Nase und Schleimhäuten, manchmal viele (dunkle Augen, dunkle Nase), manchmal weniger (helle blaue Augen, „Schweinchen-Nase“). Die Katzen und Hunde, die weniger Pigmente bilden, sehen nicht nur „ein wenig zarter aus“, sondern ihre Haut ist gewöhnlich auch ein wenig zarter und empfindlicher und bedarf einer etwas gesteigerten Aufmerksamkeit. Aber sie sind keine wirklichen Albinos, denen die Fähigkeit zur Pigmentbildung vollkommen fehlt, was gewöhnlich mit weiteren und schwereren körperlichen Einschränkungen verbunden ist. So ähnlich ist es bei den Ananaserdbeere, ihre Samen sind sehr fein und müssen noch vorsichtiger behandelt werden als die der normalen Erdbeere, ihre Früchte sind etwas weicher in der Struktur und damit auch druckempfindlicher, aber sie ist eine genetisch vollwertige, robuste Erdbeerpflanze.
Wenn Sie keine Lust haben, Ihre Aufmerksamkeit auf die Intensität der roten Farbe von Erdbeer-Nüsschen zu richten, können Sie auch einfach vorsichtig an der (vermutlich reifen) Erdbeere ziehen. Wenn sie wirklich reif ist, haben Sie die Erdbeere in der Hand; wenn Sie Widerstand spüren, braucht sie noch ein paar Tage.
Voller Geschmack
Die Ananaserdbeere, die die Genbank Obst bewahrt, ist eine Zuchtform der Gartenerdbeere, die deutlich mehr zu einer Elternseite tendiert: Zur geschmacksgebenden Fragaria chiloensis in der Unterart der Fragaria chiloensis subsp. lucida, die im Gegensatz zu den anderen vier Unterarten von Natur aus weisse Früchte trug.
Die Ananaserdbeere ist also eine Unterart der Erdbeerart, die den „Erdbeergeschmack selbst“ verkörpert und schmeckt auch nicht wirklich nach Ananas. Das könnten sie im Lichte vieler Artikel über „Erdbeeren mit Ananasgeschmack“ bezweifeln, Sie dürfen nur nicht vergessen, dass es sich durchweg um Artikel ÜBER Erdbeeren mit Ananasgeschmack handelt.
Berichte über reale Erfahrungen mit Ananaserdbeeren (die wirklich wuchsen und gegessen wurden) ergeben ein anderes Bild: Meistens geht es um die neue holländische Handelszuchtsorte, die nicht nach Ananas, sondern „nichtssagend“ schmecken soll.
Wenn sich Erdbeerkenner zu echten Ananaserdbeeren austauschen, die sie im Garten stehen haben, ist auch nicht von Ananasgeschmack die Rede. Die Ananaserdbeere schmeckt eben „weiß“, was durchaus als „ein Hauch von Ananas“ (mit einem Hauch von grünen Blättern, Karamell, Traube) wahrgenommen werden kann, aber für alle Kenner ist auch ein deutlicher Erdbeergeschmack dabei.
Erdbeeren für Allergiker
Viele Menschen reagieren allergisch auf Erdbeeren, was ausgerechnet mit dem Protein „Fra a 1“ zu tun hat, das für die Pigmentierung der roten Erdbeeren zuständig ist. Dieses Protein fehlt der echten Ananaserdbeere, weswegen es höchst wahrscheinlich ist, dass Allergiker die weißen Erdbeere vertragen (höchst wahrscheinlich und mehr nicht, der Allergiker kann auch auf irgendeinen der anderen zahlreichen Inhaltsstoffe der Erdbeere reagieren, also im Zweifel sehr vorsichtig austesten).
Mehr weiße Erdbeerarten
Wenn die Einordnung der verschiedenen Ananaserdbeeren Sie noch nicht genug verwirrt hat, hier ein paar weiße Erdbeeren anderer Erdbeer-Arten:
- Fragaria chiloensis Lucida perfecta ist fast die Urform der weißen Erdbeere, gezüchtet aus F. x ananassa ‚British Queen‘ + F. chiloensis ‚Lucida‘, glänzt mit „komplexer Fülle an Aromastoffen“ (Zitat der oben erwähnten Aromagärtnerei deaflora)
- Verschiedene Zuchtsorten der aus Walderdbeeren gezüchteten immertragenden Monatserdbeeren Fragaria vesca var. semperflorens tragen weiße Früchte: ‚Albion‘, ‚Mara de Bois‘, ‚Weiße Baron Solemacher‘, ‚Weiße Hagmann‘
- ‚Blanc Ameliore‘ ist eine echte „Fragaria vesca“, eine lange verschollene Wilderdbeere mit weißen Früchten, die gerne am Rande von Gehölzen verwildert
- Die Orient-Erdbeere Fragaria orientalis wächst von Sibirien bis China und trägt weiße, an der Sonnenseite pink angehauchte Früchte, deren Geschmack als „Kaubonbon mit Erdbeergeschmack“ beschrieben wird
- Fragaria virginiana ‚Weiße Lößnitzer‘ ist eine Scharlacherdbeere mit weiß-orangeroten Früchten, wurde früher als Zwischenkultur in den Weinbergen und verträgt deshalb kiesigen, kalkarmen Boden
- Die Aprikosenerdbeere Fragaria nilgerrensis trägt in den Sorten ‚Apricot Chinoise‘, ‚Bái Hóngsè‘ rötlich-weiße Früchte, die nach Pfirsich, Aprikose und Nektarine schmecken sollen und in der Sorte ‚Fénhóng Sè‘ leuchtend pink angehauchte Früchte, wär‘ doch auch mal was
- Eine sehr seltene Weißfrüchtige Moschuserdbeere gibt es hier: www.manfredhans.de/Weissfruechtige-Moschuserdbeere-Fragaria-moschata