Weinrebenschnitt – so erfolgt der Sommerschnitt bei Weinreben
Inhaltsverzeichnis
Weinreben sind geprägt von einer starken Wuchskraft, die erst lange nach dem zentralen Winterschnitt an Fahrt aufnimmt. Wo die Obstgehölze in erster Linie der Zierde dienen, sorgt der Sommerschnitt für Ordnung im Erscheinungsbild. Fernerhin entlastet ein Rückschnitt das Spalier, beugt Pilzinfektionen bei und unterstützt die Qualität von Wein- und Tafeltrauben. Lesen Sie hier, ab wann ein Sommerschnitt bei Weinreben empfehlenswert ist. Diese Anleitung verrät überdies, warum es bei einer einmaligen Schnittmaßnahme nicht bleiben sollte und welche Arbeiten dazugehören für ein optimales Resultat. So schneiden Sie Ihre Weinreben im Sommer richtig.
Erster Sommerschnitt nach der Aufbauphase
In den ersten drei Jahren nach der Pflanzung durchläuft eine Weinrebe die lebenswichtige Aufbauphase. In dieser Zeit trägt jeder Trieb und jedes Blatt durch Assimilation zum Wachstum bei. Als Assimilation wird der Prozess bezeichnet, in dessen Verlauf Pflanzen Nährstoffe, Wasser, Kohlendioxid und Licht aufnehmen und so verarbeiten, dass sie für die Energiegewinnung und den Stoffwechsel genutzt werden können. Aus diesem Grunde führen Weinreben-Freunde erst ab dem dritten oder vierten Standjahr einen Sommerschnitt durch.
Während der Aufbauphase bleiben ebenfalls die Geiztriebe von der Schere verschont. Geiztriebe entsprießen aus inneren, nicht sichtbaren Augen während der sommerlichen Vegetationsphase. Sie gedeihen somit als Seitentriebe aus den Blattachseln entlang der Sommerranken einer Weinrebe. Ähnlich aufgebaut wie Fruchttriebe, sind Geiztriebe allerdings mit wesentlich schwächeren Anlagen ausgestattet.
Obschon Geiztriebe keine echten Trauben, sondern saure Herlinge hervorbringen, nehmen sie Nährstoffe auf und betreiben Fotosynthese, um die gewonnenen Energiereserven an den Haupttrieb weiterzugeben. Es handelt sich somit nicht um Konkurrenztriebe, wie irrtümlich angenommen. Vielmehr fördern sie von Beginn an die Traubenreife und Vitalität einer jungen Weinrebe.
Vorbereitungsarbeiten
Der Sommerschnitt konzentriert sich auf krautige bis halb verholzte Triebe der aktuellen Vegetationsperiode. Für den Schnitt genügt somit eine herkömmliche Gartenschere. Die Klingen sollten frisch geschliffen und insbesondere sorgfältig desinfiziert sein. In einer Weinrebe ist die Gefahr von Pilzinfektionen allgegenwärtig und sollte nicht durch stumpfe, unsaubere Schneidwerkzeuge gefördert werden. Fernerhin ist eine kippsichere Leiter unverzichtbar, damit Sie sich vollkommen auf die Schnittführung konzentrieren können und nicht permanent um die Balance bemüht sind.
Vor einem Pflegeschnitt im Sommer wird die Weinrebe gründlich untersucht auf Nester brütender Vögel. Das Bundesnaturschutzgesetz erlaubt im Paragrafen 39 während der Schutzfrist vom 1. März bis 30. September einen leichten Rückschnitt einzig unter der Voraussetzung, dass das Brutgeschäft wild lebender Tiere nicht gestört wird. Hat sich eine Vogelfamilie in Ihren Weinreben angesiedelt, verschieben Sie den Termin bitte, bis das Nest verlassen ist.
Sommerschnitt in zwei Etappen – Anleitung für die Schnittführung
Unter normalen Witterungsbedingungen öffnet sich im Juli das Zeitfenster für die erste Etappe im Sommerschnitt Ihrer Weinreben. Zu dieser Zeit hat die Pflanze deutlich an Volumen und Grünmasse gewonnen, sodass sie für die meisten Spaliere und Rückhaltesysteme zu schwer werden könnte. Zugleich werden die Trauben unnötig beschattet und sind aufgrund der höheren Luftfeuchtigkeit unter dem Blätterkleid von Pilzinfektionen bedroht. Ein Formschnitt sorgt somit für Ordnung im Rankengeflecht und beugt Krankheiten vor. So verläuft der Sommerschnitt fachgerecht:
- Im Juli alle nicht fruchttragenden Ranken bis zu zwei Drittel oder vollständig zurückschneiden
- Fruchtende Triebe beschneiden bis auf 4-6 Blätter über dem letzten Fruchtansatz
- Den Schnitt über einem Auge so ansetzen, dass ein kleiner Stummel stehen bleibt, der zurücktrocknet
- Geiztriebe aus den Blattachseln nur dann auszwicken, wenn sie ähnlich lang wie ihr Haupttrieb sind
In den folgenden 2 bis 3 Wochen nach dem ersten Sommerschnitt treibt die Weinrebe erneut aus. Nach weiteren 4 bis 5 Wochen schneiden Sie die Ranken erneut zurück, wobei oberhalb der letzten Traube mindestens 4 Blätter stehen bleiben.
Wasserschosser zeitnah ausbrechen
Im Gegensatz zu Geiztrieben, haben Sie es bei Wasserschossern mit unfruchtbaren Zweigen zu tun. Diese treiben im Sommer aus schlafenden Augen im alten Holz aus. Je nach Rebsorte, erscheinen Wasserschosser in großer Zahl und beeinträchtigen die Vitalität der Pflanze. So gilt die Sorte Silvaner als ungemein Schosser-freudig, während sich an Portugieser-Reben kaum Wassertriebe bilden. Damit die Triebe keine wertvolle Pflanzenenergie verbrauchen und Frucht-tragende Ranken überwuchern, werden sie entfernt. So geht es:
- Triebe aus dem faserigen, alten Holz ausbrechen, wenn sie keine Blütenansätze aufweisen
- Einen Wasserschoss zwischen Zeigefinger und Daumen erfassen
- Mit dem Daumen seitlichen Druck auf den Trieb ausüben und abbrechen
Beginnen Sie mit dem Ausbrechen bereits im Frühjahr, wenn die unfruchtbaren Triebe eine Länge von 10 bis 30 cm erzielt haben. Warten Sie mit dieser Maßnahme bis zum Sommerschnitt, ist das schonende Ausbrechen zumeist nicht mehr möglich, sodass Wasserschosser dann abgeschnitten werden müssen. Aus dem verbliebenen Geweberest treiben sie dann sehr viel zügiger wieder aus, als wenn sie im Frühjahr stammnah abgebrochen werden.
Schnittwunden bluten aus – was tun?
Strömt nach dem Sommerschnitt aus den Schnittwunden eine helle Flüssigkeit aus, sorgt dieser Umstand für Besorgnis unter Hausgärtnern. Dieser Prozess wird unter Fachleuten als ‚bluten‘ bezeichnet, wobei der dramatische Begriff ein eher harmloses Problem umschreibt. Mit Beginn der Vegetationsperiode ziehen Weinreben kraftvoll Wasser aus der Erde, woraufhin sich in den Leitungsbahnen ein hoher Saftdruck aufbaut. Wird ein Trieb durchschnitten, drückt sich dieser Saft aus der Wunde heraus, tropft herunter oder läuft in Rinnsalen am Stamm entlang. Die Flüssigkeit besteht im Wesentlichen aus Wasser, Zucker sowie Nährsalzen und dient im Winter als natürliches Frostschutzmittel.
Tritt die Flüssigkeit in größeren Mengen aus, könnte sie Knospen und Fruchtansätze ersäufen. Mit einer gezielten Schnittführung leiten Sie den Fluss an sensiblen Triebstellen herum. Zu diesem Zweck setzen Sie die Schere in leichter Schräghaltung entgegen der Wuchsrichtung an. Auf diese Weise erzeugen Sie eine zielgerichtete Überlaufstelle in sicherer Entfernung von Knospen, Blüten und Fruchtansätzen. Lange Triebe können zusätzlich abwärts gebogen werden. Praktisch ist zudem ein Bindfaden, der hinter der Schnittfläche als Abtropfhilfe fungiert.
Keinesfalls sollte der Saftfluss durch Wundverschluss unterbunden werden. Indem die Schnittflächen mit luft- und wasserdichtem Wachs versiegelt werden, sind darunter Fäulnis und Schimmel vorprogrammiert. Ohnehin sind die entstehenden Wunden nach dem Sommerschnitt deutlich kleiner, als nach dem Hauptschnitt im Winter, der in der Regel ebenfalls ohne Wundverschluss auskommt.
Entlauben sorgt für sonnengereifte Trauben
Im Spätsommer zwischen Ende August und Mitte September nähern sich die Trauben ihrer Reife. Erfahrungsgemäß werden sie jetzt durch die 4 bis 6 Blätter beschattet, die nach dem Sommerschnitt für die Versorgung stehen blieben. Indem Sie nunmehr überflüssige Blätter entfernen, färben die Früchte besser aus. Darüber hinaus können die Trauben nach einem Regenschauer rascher abtrocknen, sodass sie auf der Zielgeraden nicht doch noch von listigen Pilzsporen befallen werden. Damit die bislang abgeschirmten Trauben keinen Sonnenbrand erleiden, ist eine schrittweise Entlaubung sinnvoll. Das gilt insbesondere für spät reifende Sorten, die im Spätsommer die schützende Wachsschicht auf der Schale nicht vollständig ausgebildet haben. So machen Sie es richtig:
- Einzelne Blätter über den Trauben abschneiden oder ausbrechen
- Die Entlaubung auf einen Abstand von 2 bis 3 Wochen ausdehnen
Sind Geiztriebe für die Beschattung der reifenden Beeren verantwortlich, sollten sie ebenfalls entfernt werden. Um größere Schnittwunden zu vermeiden, zwicken Sie die Triebe mit den Fingern aus den Blattachseln heraus. Geiztriebe, die keinen Schatten werfen auf die nahezu reifen Trauben, können Sie stehen lassen. Im späten Herbst tragen sie kleine Früchte, die zwar für den Verzehr ungeeignet sind. Ihr dekorativer Wert in Kombination mit der wunderschönen Herbstfärbung der Blätter ist dennoch nicht zu unterschätzen.
Entspitzen beugt Verrieselung vor
Ungünstige Witterungsbedingungen können es erforderlich machen, dass Sie bereits vor dem Sommerschnitt während der Blütezeit aktiv werden. Zwischen 45 und 90 Tage nach dem Austrieb entfalten sich an Weinreben die Blüten, in der Fachsprache als Gescheine bezeichnet. Herrschen ideale Witterungsbedingungen, verwandeln sich durchschnittlich 60 Prozent der Blüten in Trauben. Nass-kaltes, windiges Wetter mit kühlen 15 Grad Celsius oder anhaltende Hitze mit mehr als 30 Grad Celsius beeinträchtigen die Blüten und lösen die gefürchtete Verrieselung aus. Dabei wird ein Großteil der Blütenansätze abgeworfen, was den Ernteertrag drastisch reduziert.
Tritt die Befruchtungsstörung inmitten der Blütezeit auf, ist der Schaden für das aktuelle Jahr irreparabel. In Regionen außerhalb der milden Weinbaugebiete, kann durch Entspitzen der Zweige einer Verrieselung vorgebeugt werden. Indem Sie vor Beginn der Blütezeit die Spitzen der Triebe abknipsen, entsteht ein Saftstau, der in robusteren Gescheinen resultiert. Bei schlechtem Wetter halten die gestärkten Blüten länger durch und verrieseln nicht so schnell, wie Gescheine an nicht entspitzten Trieben.
Übrigens ist Verrieseln nach der Blütezeit an Weinreben ein natürlicher Prozess. Dabei werden 50 Prozent und mehr der Fruchtanlagen abgeworfen. Vornehmlich großbeerige Rebsorten schaffen auf diese Weise Platz für ihre Trauben, die sich andernfalls infolge von Platzmangel gegenseitig zerdrücken würden.
Fazit
Für ein gepflegtes Erscheinungsbild, sonnengereifte Trauben und robuste Resistenz ist der Weinrebenschnitt im Sommer unverzichtbar. Nach drei Jahren des Aufbaus und der Erziehung, hält ein Rückschnitt ab Juli das Wachstum im Zaum. Geschnitten wird in zwei Etappen. Nicht fruchtende Ranken können bei Bedarf vollständig herausgeschnitten werden. Frucht-tragende Triebe schneiden Sie so zurück, dass über dem letzten Fruchtansatz 4 bis 6 Blätter stehen bleiben. Indem Sie jeden Schnitt leicht schräg ausführen, leiten Sie den ausströmenden Pflanzensaft an Knospen und Fruchtansätzen vorbei. Störende Geiztriebe knipsen Sie mit den Fingern aus den Blattachseln heraus. Unfruchtbare Wasserschosser werden bereits ab dem Frühjahr konsequent vom alten Holz abgebrochen. Im Spätsommer runden Sie die Schnittpflege an Weinreben ab, indem Sie alle Blätter entfernen, die Trauben beschatten.