Samen stratifizieren | Anleitung für die Stratifizierung
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Auf den ersten Blick möchte man meinen, das Säen ist eine einfache Angelegenheit. Doch mit Erde, Feuchtigkeit und Wärme ist es in vielen Fällen noch lange nicht getan. Stattdessen brauchen die Samen einen äußeren Anreiz, um überhaupt die Keimfähigkeit zu erlagen. Wie Sie diese Stratifizierung künstlich hervorrufen, erfahren Sie in der folgenden Anleitung:
Warum überhaupt stratifizieren?
In der Natur ist es in aller Regel vorgesehen, dass Pflanzen nach der Fruchtreife ihre Samen auf unterschiedlichsten Wegen verbreiten. Keimen und sich zu Pflanzen entwickeln sollen sie aber erst im darauffolgenden Frühjahr. So erhält der Keimling eine möglichst große Zeitspanne, um sich durch Wachstum und Kräftigung auf den nächsten Winter mit all seinen Herausforderungen vorzubereiten.
Damit dieser Keimverzug auch tatsächlich erfolgt, hat die Natur unterschiedliche Mechanismen der Keimhemmung eingebaut:
- Hemmung durch organische Säuren im Fruchtfleisch – bei fleischtragenden Steinfrüchten (Pfirsich, Kirsche, Vogelkirsche, Wildrose etc.)
- Hemmung durch hormon- und enzymähnliche Stoffe im Keimling oder der Samenschale (z.B. Zaubernuss, Schneeball, Eibe etc.)
- Mechanische Keimhemmung, oft kombiniert mit enzymatischen Hemmern (vor allem Gehölze mit hartschaligen Samen (Buche, Eiche, Kastanie etc.)
Wie stratifizieren – die Anleitung
Da es unterschiedliche Mechanismen der Keimhemmung gibt, sind zu ihrer Überwindung auch unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich. Da in der Natur meist sogar unterschiedliche Hemmer kombiniert auftreten, kann es erforderlich sein, die verschiedenen Maßnahmen zur Stratifikation miteinander zu kombinieren:
Stratifizierung bei organischen Säuren als Keimungshemmer
Sie können darüber streiten, ob es sich hierbei um eine echte Stratifikation handelt, wie sie immer wieder in der Literatur beschrieben wird. Fakt ist, dass auch hier gezielt hemmende Faktoren einer Keimung beseitigt werden, um die Keimfähigkeit der Pflanzensamen herbeizuführen.
Anwendung
- bei fleischtragenden Früchten
Hemmprozess
- Entwicklung organischer Säuren im Fruchtfleisch durch Fruchtreife
- Einwirkung der Säuren auf Fruchtkern
- Eintritt einer hemmenden Wirkung
Vorgehen zur Beseitigung der Hemmung
- Früchte flächig an Luft und Sonne auslegen
- Eintritt der Verrottung des Fruchtfleisches abwarten
- Samen von Fleischresten befreien, z.B. durch Zerreiben oder Zerdrücken mit den Händen oder zwischen zwei Stein- oder Holzplatten
- Kerne im Wasser waschen, um weitere Fäulnis zu vermeiden
- Kerne trocknen, um sofortigen Keimanreiz zu unterbinden
- Aufbewahrung bis zur Aussaat trocken und luftdicht
ALTERNATIVE
Ein zweiter Weg neben der Beseitigung des Fruchtfleisches mitsamt den Fruchtsäuren ist die Ernte der Früchte vor der vollständigen Reife. So wird die Entwicklung vor dem Entstehen der Säuren gestoppt und die Kerne können wie bereits oben beschrieben zur Vermehrung der Pflanze gewonnen werden.
Stratifikation bei hormon- oder enzymähnlichen Stoffen
Die weit häufigste Form der Stratifizierung kommt beim Auftreten von Hormonen oder Enzymen als Entwicklungshemmer zum Einsatz. Man spricht hier von der so genannten Kaltstratifizierung.
Anwendung bei
- Kaltkeimern, deren Samen eine Kältephase für die Keimfähigkeit benötigen
Hemmprozess
- Ausbildung hemmender Botenstoffe im Keimling oder der Samenhülle
- Zerfall der Botenstoffe durch Kältephase
Vorgehen beim Stratifizieren
- Gefäß mit Sand, oder alternativ Sand und Torf, füllen
- Gesäuberte Samen in das Substrat geben und unterheben
- Substrat anfeuchten, z.B. durch vorsichtiges übergießen
- Gefäß an kühlem Standort lagern, z.B. Keller, Garage oder auch Kühlschrank
- Idealer Temperaturbereich: 2 bis 8 Grad Celsius
- Substrat mitsamt Kernen regelmäßig, z.B. wöchentlich wenden, um gleichmäßige Feuchte herzustellen und Samenschale durch Sandkörner aufzurauen (besseres Quellen)
Früher wurden die einzelnen Samenkörner einfach schichtweise im Substrat eingebettet und dann meist im Freien aufgestellt. Wirksamer wird die Stratifizierung aber dann, wenn gleichbleibend kühle Temperaturen gehalten werden. Im Freien kann etwa ein besonders sonniger Tag oder eine Warmphase im Herbst oder Frühjahr die Dauer deutlich in die Länge ziehen.
Sonderfall: Frostkeimer
Eine gewisse Sonderform der Kaltstratifizierung stellen die Frostkeimer dar. Dabei handelt es sich in erster Linie um Frühblüher, wie Krokus oder Schneeglöckchen. Sie benötigen nicht nur kühle Temperaturen, sondern tatsächlich echten Frost. Das Vorgehen entspricht der Kaltstratifizierung. Allerdings liegt der ideale Temperaturbereich hier knapp unter 0 Grad bis ungefähr Minus 5 Grad Celsius.
Stratifikation bei mechanischer Keimhemmung
Zuletzt verbleibt eine Art Mischform aus der bereits behandelten Kaltstratifikation und einer zusätzlichen Form zu Überwindung von Keimhemmungen. Denn die nun im Fokus stehende mechanische Hemmung geht meist einher mit chemischen Botenstoffen, die durch eine Kaltphase abgebaut werden können. Man spricht daher auch von einer so genannten Warm-Kalt-Stratifikation, da der bekannten Kaltstratifizierung eine Warmphase vorangeht.
Anwendung bei
- Samenformen mit harter Schale
Hemmprozess
- Mechanische Barriere der Samenhülle gegen keimungsanregende Einflüsse, wie Wärme und Feuchtigkeit
- Verzögerung des Feuchtezutritts zum Kern durch hohe Widerstandsfähigkeit der Schale
- Definition der Verzögerung durch Quelldauer der Samenhülle, Keimung erst nach Quellen und aufbrechen möglich
Vorgehen zur Beseitigung der Hemmung
- Vorbereitung der Einzelsamen wie bei Kaltstratifizierung einschl. Einbettung in Substrat
- Erster Standort mit Umgebungstemperatur von 20 Grad Celsius oder leicht darüber
- Verweildauer rund 2 bis 4 Wochen
- Auswirkung: schnelleres Quellen und Aufbrechen der Samenhülle
- Absenken der Temperatur bzw. Standortveränderung wie bei Kaltstratifizierung