Anleitung zur Obstbaumveredelung
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Wenn ein Obstbaum veredelt werden soll, hat das meistens den Grund, weil er vermehrt werden soll. Dies geht nicht immer über Samen oder Stecklinge, deshalb ist die Veredelung ein besonders in Gärtnereien und Baumschulen gewählter Weg.
Veredelungen werden aber auch zur Ertragssteigerung von Obstbäumen durchgeführt, bei Ziergewächsen wird dadurch die Blühwilligkeit gesteigert. Manche Pflanzen können erst durch Veredelung auf ungünstigen Bodenverhältnissen gedeihen.
Obstbaumveredelung mit Reisern
Wenn Obstbäume veredelt werden sollen, gibt es dazu einige Schritte genau zu beachten. Natürlich wird nur ein Baum ausgewählt, dessen Vorteile und Vorzüge bekannt sind. Zunächst muss ein sogenannter Reiser geschnitten werden. Dieser wird aus der Krone im oberen oder im südlichen Teil entnommen. Es sollte ungefähr die Dicke eines Bleistifts haben und bereits über gut ausgebildete Augen verfügen. Natürlich müssen Reiser gesund sein. Es wird ein mittlerer Teil mit drei bis vier Augen verwendet.
Man muss zwar keine chirurgischen Bedingungen erfüllen, jedoch sollten die Schnittstellen nicht mit den Fingern berührt werden. Auch im Sommer können Reiser geschnitten werden, dann dürfen sie jedoch nicht der Sonne ausgesetzt werden, um nicht vorzeitig zu verwelken. Der Sinn der Reiser besteht darin, die Vorzüge der Mutterpflanze auf die neue Pflanze zu übertragen. Das ist in den meisten Fällen eine gute Fruchtbarkeit. Nach dem Schneiden werden die Wundflächen mit Wundwachs geschlossen, nur das unterste Auge bleibt frei, damit es austreiben kann. Der Reiser wird mit Bast von oben nach unten verbunden und dadurch an die Unterlage gedrückt.
Dieses Bindematerial wird nach einigen Wochen mit einem scharfen Messer senkrecht aufgeschnitten. Der richtige Zeitpunkt kann daran erkannt werden, dass es beginnt, einzuschnüren. Es wird jedoch nicht komplett entfernt, sondern bleibt am Baum. Sobald sich aus den Knospen kleine Triebe zeigen, kann die Veredelung als gelungen bezeichnet werden.
Obstbaumveredelung durch Kopulation
Bei der Kopulation wird der Edelreis mit einer gleich dicken Unterlage verbunden, sie sollte ungefähr fingerdick sein. An beiden Teilen wird ein schräger Schnitt von ca. 3 bis 4 cm Länge durchgeführt, sodass die Rinde auf die Rinde passt. Die Schnittfläche sollte wenigstens eine dreifache Länge des Reiserdurchmessers haben. Außerdem müssen beide Teile gegenüber der Schnittfläche ein Auge zeigen. Bei dieser Veredelung muss der Edelreiser kurz vorher geschnitten werden und sollte aus dem gleichen Jahr stammen. Die Blattstiele des Edelreisers bleiben erhalten, sie fallen nach einigen Wochen vertrocknet ab. Das ist dann gleichzeitig auch das Zeichen dafür, dass die Veredelung gelungen ist. Danach sollten Seitentriebe und Blätter der Unterlage entfernt werden.
Bei der Kopulation mit sogenannten Gegenzungen wird ähnlich verfahren. Der Schnitt wird in Richtung der Längsachse 1 cm tief durchgeführt und schräg angesetzt. Dadurch entsteht eine gegeneinander stehende Verzahnung, die ineinandergeschoben werden.
Obstbaumveredelung durch Okulation
Bei der Okulation von Obstbäumen wird ein Auge des Edelreises auf eine weniger interessante Unterlage übertragen. Dadurch verwächst die Knospe mit dem neuen Zweig und bildet nach einer Weile einen neuen Trieb aus. Dieser verfügt dann über die gleichen Eigenschaften wie das Edelreis, die Unterlage wird über dem Auge abgeschnitten und im Herbst bis auf 20-25 cm zurückgeschnitten. Die Okulation auf das schlafende Auge wird im Sommer vorgenommen, spätestens bis in den September. Ein noch nicht verholzter Edelreis wird an der Veredelungsstelle von seiner Rinde befreit. Auch hier wird am besten ein Trieb aus der Krone entnommen, ein Wasserschoss ist dazu nicht geeignet. Auch bei dieser Variante wird der Reiser erst kurz vorher entnommen und sofort weiter verarbeitet. Diese Art der Veredelung eignet sich besonders für diese Obstbäume:
- Birnen
- Pflaumen
- Pfirsich
- Quitten
- Äpfel
- Kirschen
- Rosen
Dazu wird die Rinde T-förmig eingeschnitten, nachdem die Rinde leicht abgelöst wurde. Dadurch kann man sie auseinanderklappen und das gut ausgereifte Auge in den Rindenlappen hineinschieben. Der überstehende Teil der Rinde des Edelauges wird mit dem T-Balken bündig abgeschnitten und mit Bast verbunden. Die Rindenlappen sollten die Schnittflächen des Edelauges bedecken. Eventuell kann der gesamte Bereich mit Wachs verstrichen werden, dabei bleibt das Auge jedoch frei.
Wenn nach ca. drei Wochen der Blattstielstumpf abgefallen ist, kann der Bastverband gelöst werden. Ist er nicht abgefallen, muss die Veredelung wiederholt werden. Wird sie gleichzeitig an zwei Stellen durchgeführt, erhöht sich die Chance des Erfolgs natürlich. Mit der Okulation auf dem treibenden Auge werden meistens junge Obstbäume direkt über dem Boden veredelt. Empfindliche Sorten mit schwachem Wuchs wie Sauerkirschen oder Aprikosen sollten jedoch in Kronenhöhe veredelt werden.
Der Verwachsungsprozess
Die Veredelung kann auch als Eingriff in die Natur betrachtet werden, natürlich im positiven Sinne. Aber es ist ein komplizierter Vorgang, wenn Edelreis und Unterlage miteinander verwachsen sollen. Zwei verschiedene Pflanzen sollen sich vertragen und auch weiterwachsen und gedeihen. Sie sollen Früchte oder Blüten tragen, was schließlich eine große Erwartung ist. Es ist also gar nicht so einfach, dieses Vorhaben erfolgreich durchzuführen und außerdem ist Geduld gefragt. Hier sind die einzelnen Schritte noch einmal zur besseren Übersicht:
- durch Oxidation der verletzten Zellen kommt es zu einer Braunfärbung der Schnittflächen
- nach einigen Tagen ist die Bildung einer Isolierschicht abgeschlossen
- wiederum nach ein paar Tagen beginnt die Unterlage mit der Zellteilung und der Bildung des Wundkallus zwischen den beiden Veredelungsteilen, Wasser und Nährstoffe werden ausgetauscht
- durch einen straffen Wundverband nimmt dieser Vorgang weiter zu
- ca. 3 Wochen später wird die Isolierschicht wieder abgebaut und verstoffwechselt
- das erste Grundgewebe wird Richtung Rinde des Edelreises gebildet
- der Edelreis bekommt mehr Wasser und beginnt mit der Zellteilung
- Kambien und Korkgewebe wachsen zusammen
- die endgültigen Transportwege für Wasser und Nährstoffe werden im Holzteil und im Bast gebildet
Die Verwachsung der beiden Veredelungsteile kann bis zu fünfzig Tage in Anspruch nehmen, bei warmem Wetter kann es auch schneller gehen. Bei der Okulation ist dieser Erfolg bereits nach zehn Tagen sichtbar.
Wissenswertes zur Obstbaumveredelung in Kürze
Reiser
Bevor mit der Veredelung eines Obstbaumes begonnen werden kann, sollte ein Baum gewählt werden, der gute Erträge erzielt. Ist der passende Baum gefunden, schneidet man diesen an der Südseite des oberen Kronenbereiches. Hierfür kommen nur einjährige Triebe in Betracht. Wenn die sogenannten Reiser geschnitten sind, sollten sie in einer Grube mit Sand eingebettet werden. Um die Reiser vor dem Frost zu schützen, können diese alternativ auch in feuchtem Sand im Keller lagern. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Reiser nicht zu trocken gelagert werden, denn zu trockene Reiser eignen sich nicht mehr zum Veredeln.
Kopulation
Bei einer Kopulation wird bei beiden Veredelungspartnern ein Kopulierschnitt durchgeführt. Der Schnitt erfolgt in Schräglage und sollte ziehend ausgeführt werden. Nur wenn der Schnitt glatt und gleichmäßig ist, passen beide Teile aufeinander. Für diesen genauen Schnitt sollten Sie ein Kopuliermesser verwenden, da es über eine besonders scharfe Klinge verfügt. Wenn beide Teile perfekt aneinander passen, müssen diese nur noch verbunden werden. Hierfür ist spezieller Bast erhältlich, der lediglich mit einem Wachs bestrichen wird.
Okulation
Bei dieser Methode der Obstbaumveredelung wird lediglich ein Auge des Edelreis verwendet. Dieses setzt man in die Unterlage ein. Das Auge wird mit einem Okuliermesser aus dem Edelreis geschnitten. Auf der Unterlage wird ebenfalls ein scharfer Schnitt durchgeführt. Dabei wird die Rinde gelöst und das Edelauge kann in die Öffnung eingesetzt werden. Sobald dieser Schritt abgeschlossen ist, muss die Veredelung des Obstbaumes mit Bast, Folienverband oder mit sogenannten Schnellverschlüssen fest verschlossen werden. So wird das Auge eng an die Unterlage gedrückt und vor Schmutz und Austrocknung bewahrt. Zudem begünstigt der feste Verschluss den Verwachsungsvorgang.