Mansardendach: 10 Vor- und Nachteile | Infos zu Konstruktion und Neigung
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Jungendstil und Jahrhundertwende werden wohl vielen Menschen beim Anblick eines Mansardendaches durch den Kopf gehen. Die Etablierung der Dachform reicht sogar noch wesentlich weiter in der Geschichte zurück. Allerdings hat sie in ihrer durchdachten Konstruktion bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren. Wir erklären die Vor- und Nachteile und geben hilfreiche Informationen zur Konstruktion.
Form und Entstehung
Entstanden ist das Mansardendach bereits im 16. und 17. Jahrhundert, wo es herangezogen wurde, um repräsentativen Stadthäusern und Palästen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wandfläche und Dach zu verleihen. Wie die Belle Etage reihte es sich im 19. Jahrhundert dann in den nahezu zwingenden Kanon der großbürgerlichen Architektursprache ein. Letztlich handelt es sich bei einem Mansardendach um ein Satteldach, das mit einer im unteren Bereich steiler werdenden Dachfläche über das oberste „normale“ Geschoss stülpt. Anders herum betrachtet könnte man sagen, ein Mansardendach entsteht, wenn man die Dachflächen nach außen knickt, um im Dachraum ein weiteres Geschoss mit vollwertigen Räumen mit geraden Wänden unterzubringen.
Funktion
Heute hat das Mansardendach neben seiner gestalterischen Wirkung eine weitere, nicht zu vernachlässigende Funktion. Zahlreiche Bebauungspläne nutzen die Anzahl der Geschosse, sowie die Traufhöhe, um das Maß der baulichen Nutzung eines Gebietes zu reglementieren. Durch die Unterbringung des obersten Geschosses im Dach, kann – im Gegensatz zum klassischen Satteldach – ein weit besser nutzbares Geschoss hinzugewonnen werden, als es beim Satteldach je der Fall wäre. Das klassische Stilmittel des Mansardendaches erlangt also zur Ausreizung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben eine neue Bedeutung.
Die Konstruktion
Konstruktiv handelt es sich beim Mansardendach immer um ein Pfettendach. Durch die nach oben hin abknickende Dachfläche können die Sparren nicht von der Traufe zum First durchlaufen und sich somit nicht selbst gegeneinander stützen. In der Regel wird das Mansardengeschoss als Holzständerwerk in das Dachtragwerk integriert. Auf diesen Wänden liegt die Mittelpfette auf, die dem flacheren Oberdach zugleich als Schwelle dient. Je nach Nutzung kann das Ständerwerk zu vollwertigen Wänden ausgemauert werden, so dass man sich des Aufenthalts im Dachraum höchstens beim Blick aus den Fenstern bewusst wird. Durch die Einrichtung eines raumhohen Kniestocks wird selbst die steile Unterdachneigung von innen nicht wahrgenommen. Zugleich erlaubt die steile Dachneigung den Einbau normaler Fassadenfenster und somit eine uneingeschränkt gute Belichtung und Belüftung der Räume.
Die statische Herausforderung
Ein besonderes Augenmerk gilt bei der Konstruktion des Mansardendachs der Statik. Das zu Grunde liegende, klassische Satteldach leitet die auf die Dachfläche wirkenden Lasten über durchlaufende Sparren bis zu den Gebäudeaußenwänden und von dort über die Gründungsbauteile ins Erdreich. In Verbindung mit den Außenwänden oder einer zusätzlichen aussteifenden Balkenlage ergibt sich somit ein stabiles statisches System in Form eines Dreiecks. Beim Mansardendach wird der durchlaufende Sparren jedoch unterbrochen und durch das nach außen Knicken der Dachfläche aus einer geraden Linie genommen. Insbesondere die Lasten des oberen Dachbereichs entwickeln so bei der Abtragung der Lasten einen klaren Druck nach unten, sowie im Knickbereich zusätzlich nach außen. Diesen Druck nach außen gilt es, konstruktiv aufzufangen und ein Ausweichen des Daches zu verhindern. Meist wird dafür über dem Mansardengeschoss eine Balkenlage eingebaut, oder es werden mehrere Zugbänder aus Metall vorgesehen. Häufig treten diese Elemente optisch überhaupt nicht in Erscheinung, da sie in den Wänden oder der Decke des Mansardengeschosses verschwinden.
Die Dachneigung
Nun war bereits von zwei unterschiedlichen Dachneigungen und einem Oberdach und einem Unterdach die Rede. Doch welche Neigungen werden sinnvollerweise eingesetzt? Auf der Hand liegt die Annahme, dass die untere Dachhälfte zur Erzielung der charakteristischen Dachsilhouette steiler sein muss, als das obere Dach. Üblich sind für die steilen Dachbereiche Neigungen von mindestens 45, sinnvollerweise aber 50 Grad und mehr. Nicht selten werden sogar Neigungen bis zu 70 Grad vorgefunden, um den Innenraum dahinter möglichst optimal ausnutzen zu können. Das obere Dach dagegen kann nahezu beliebig geneigt sein. Um hier keinen unnötigen und nicht nutzbaren Raum zu schaffen, wird meist eine Neigung von maximal 30 Grad eingesetzt, häufig auch darunter. Unter 15 Grad gelangt dagegen kaum ein Mansardendach im Firstbereich, da die klassischerweise verwendeten Ziegeleindeckungen bei flacheren Neigungen ihre Funktion nur noch eingeschränkt erfüllen.
Vor- und Nachteile
Natürlich weist das Mansardendach nicht nur Vorteile, sondern auch einige Defizite auf. Im Folgenden werden sowohl die positiven, als auch die negativen Aspekte dieser Dachform kurz beleuchtet:
Vorteile
- Großer Zugewinn an nutzbarem Raumvolumen im Dachgeschoss durch steile Neigung im unteren Dachbereich
- Reduzierung des nicht nutzbaren Dachraums im Dachspitz durch flachere Neigung im Oberdach
- Qualitativer Zugewinn der Nutzbarkeit der Räume im Dachgeschoss durch senkrechtere Wände ohne große Dachschrägen und Verwendbarkeit normaler Fassadenfenster
- Zugewinn des „optischen Gewichts“ des Daches, somit ausgewogenere Gestaltung von Hauptbaukörper zu Dach möglich
- Bauplanungsrechtliche Vorteile bei Begrenzung der Traufhöhe und eventuell der Anzahl der ablesbaren Geschosse
Nachteile
- Hoher konstruktiver Aufwand für Tragwerk
- Zahlreiche Detailausbildungen für Fensteranschlüsse, Wechsel der Dachneigung etc. nötig
- Klassische Dachbeläge im steilen Dachbereich bei zu hoher Neigung nur mit zusätzlicher Sicherung möglich
- Nutzbarkeit der Dachräume zwar besser als „normales“ Satteldach, aber dennoch kein vollwertiges Geschoss
- In modernem Bauplanungsrecht über Festsetzungen der Bebauungspläne kaum noch ohne rechtliche Befreiungen realisierbar
Das Mansardendach heute
Die Hochzeit des Mansardendaches mag zwar vorüber sein, dennoch trifft man es auch heute immer wieder bei neu errichteten Gebäuden an. Allerdings ist nicht alles, was danach aussieht, ein echtes Mansardendach. Denn um die optischen und mitunter auch baurechtlichen Vorzüge des Mansardendachs in Anspruch zu nehmen, ohne den konstruktiven Aufwand zu betreiben, werden heute häufig „normale“ Geschosse in massiver Bauweise schlicht mit einer extrem steilen Dachfläche verkleidet. Der flachere, obere Dachbereich wird dann als echte Dachkonstruktion aufgesetzt, oder entfällt zu Gunsten eines Flachdaches komplett. In wie weit hier der Begriff des Mansardendaches noch greift, bleibt letztlich dem Betrachter überlassen. Fakt ist jedoch, dass aus bautechnischer Sicht in diesen Fällen nur noch wenig vom echten Mansardendach früherer Zeiten erhalten blieb.