Heidelbeeren schneiden – ausführliche Anleitung
Inhaltsverzeichnis
Garten- oder Kulturheidelbeeren müssen Sie auf jeden Fall irgendwann schneiden. Nachfolgend erfahren Sie, wie, die Anleitung geht auch auf die Sonderwünsche der wichtigsten Zuchtsorten ein. Sie erfahren aber auch, dass Sie nicht unbedingt Kulturheidelbeeren pflanzen müssen, sondern dass es „echte, einheimische Heidelbeeren“ gibt, die auch im Garten wachsen und im Zweifel gar nicht beschnitten werden müssen.
Kultur-Heidelbeeren brauchen Schnittpflege
In den Gartencentern und Internet-Shops für Hobbygärtner werden in den letzten Jahren immer mehr Heidelbeersträucher angeboten, weil die Nachfrage nach den blauen Beeren seit Jahren einen Aufwärtstrend zeigt (was damit zusammenhängt, dass der gesundheitliche Wert der Heidelbeeren für wiederkehrende Schlagzeilen gut ist, mehr dazu erfahren Sie noch).
Diese Kultur-Heidelbeeren haben nicht mehr viel mit den Heidelbeeren pflanzen zu tun, denen wir am Waldrand unter mühsamem Bücken ein paar durchdringend blau gefärbte Beeren mit intensivem Aroma absammeln; auch ihre Vorfahren gehören nicht in die hiesige Pflanzenwelt, sondern stammen von einem fremden Kontinent.
Die Kultur-Heidelbeeren gehen auf wenige der aktuell 265 Heidelbeer-Arten zurück: Erste Zuchtpflanze war die amerikanische Heidelbeere Vaccinium corymbosum, eine Heidelbeere mit starkem Wuchs und einer Maximalhöhe von bis zu 2 m, deren größere Beeren höhere Ernten erbringen. Weitere Kultursorten entstanden aus Kreuzungen von V. corymbosum mit der nordamerikanisch-kanadischen V. angustifolium oder noch anderen Vaccinium-Arten, die auch alle ganz andere Höhen erreichen als der heimische Zwergstrauch, stärker wachsen und mehr tragen.
Diese Kultur-Heidelbeeren ähneln also bereits von Natur aus sehr viel mehr den Sträuchern, die wir üblicherweise in unsere Gärten pflanzen; durch Zucht wurden aus der ursprünglichen amerikanische Heidelbeere und ihren Verwandten zunächst perfekte Plantagen-Heidelbeeren selektiert. Als die steigende Popularität der gesunden Beeren dazu führte, dass auch immer mehr private Hausgärtner Heidelbeeren in ihre Gärten pflanzen wollten, konnte diese Nachfrage sofort erfüllt werden, indem für den Erwerbsanbau gezogene Heidelbeersträucher auch von Handelsunternehmen für Endverbraucher angeboten wurden. Diese hohen Heidelbeersträucher sind darauf gezogen, jedes Jahr reichlich voll besetztes Fruchtholz zu entwickeln, und können das auf Dauer am besten leisten, wenn sie regelmäßig einen Pflegeschnitt bekommen.
Nicht jedes Jahr, auf jeden Fall nicht jeden Trieb jedes Jahr, weil Heidelbeeren am zweijährigen und älteren Holz tragen. Am jungen, zwei- und dreijährigen Holz ist die Fruchtqualität am besten, das ältere Holz trägt irgendwann gar nicht mehr – ein jährlicher Beschnitt empfiehlt sich insofern, dass Sie bei diesen Sträuchern versuchen müssen, im gleichmäßigen Rhythmus immer die ältesten, verholzten Triebe herauszuschneiden. Jedes Jahr ein paar, damit die Pflanze jung und vital bleibt und sich von der Basis her gut erneuert.
Die beste Zeit für den Schnitt ist der Sommer, nach der Ernte; während der Ernte können Sie die bereits im Ertrag nachlassenden Triebe mit bunten Schleifen markieren. Ein wenig Aufmerksamkeit, und Sie haben die Sträucher immer vollbesetzt mit jungen Trieben, die eine gute Fruchtqualität entwickeln.
Im Spätwinter können Sie nochmals etwas nachbessern und alte oder zu eng wachsende Triebe entfernen. Nicht gemeint die neuen Triebe, die als Ersatz eines Alttriebes von der Basis aus nach oben wachsen, die werden in den nächsten drei Jahren die besten Früchte tragen.
Das alles gilt für erwachsene Heidelbeeren in vollem Ertrag. Bis es soweit ist, lässt sich die Heidelbeeren aber richtig Zeit – falls Sie es mit Heidelbeeren-Jungpflanzen zu tun haben, werden die erst einmal ganz anders behandelt:
Junge Heidelbeeren schneiden
Heidelbeeren sind Spätzünder und brauchen 7-9 Jahre bis sie volle Erträge liefern. Deshalb verkauft der Fachhandel gewöhnlich vorgezogene Heidelbeersträucher im Alter von drei bis vier Jahren, die vielleicht sogar schon die ersten Früchte tragen und nach dem Anwachsen beschnitten werden wie gerade beschrieben.
Heidelbeeren werden aber nicht nur im Fachhandel, sondern als Trendpflanzen von allen möglichen Händlern verkauft – womit es durchaus im Rahmen des Vorstellbaren liegt, dass Sie eine sehr junge Heidelbeeren in Ihren Garten gepflanzt haben. Wenn nach den Umständen des Kaufs und der Tatsache, dass die Heidelbeere in der Saison nach dem Einwurzeln nur wenige Blüten am noch niedrigen Strauch zeigt, der Verdacht naheliegt, dass Sie es mit einer „Baby-Heidelbeere“ zu tun haben, können Sie die jungen Heidelbeersträucher „beim Erwachsenwerden unterstützen“:
Knipsen Sie die ersten vier Jahre die Blüten weg, sobald Sie die Knospe fassen können. Dann muss die Pflanze nicht einen Teil ihrer Kräfte dafür verbrauchen, die paar Früchte zu bilden (die Sie ohnehin noch nicht sehr glücklich machen), sondern kann sich ganz darauf konzentrieren, groß und stark zu werden. Wenn Sie dann im fünften Jahr die Blüten blühen lassen, werden es eine Menge Blüten sein, die eine Menge Beeren bringen.
Genauso verfahren Sie auch mit Heidelbeersträuchern, die Sie aus Absenkern, Stecklingen oder Steckhölzer gezogen haben. Wenn sich „die Kleinen“ verzweigungsfaul zeigen, werden sie zusätzlich zur Zeit des Austriebs durch leichten Rundum-Beschnitt zur Verzweigung angeregt.
Zuchtsorten der Kultur-Heidelbeere und ihre Schnitt-Ansprüche
Es folgen die 10 bekanntesten Zuchtsorten der Kultur-Heidelbeere, die besondere Schnitt-Ansprüche haben:
- Vaccinium corymbosum ‚Blautropf‘ wird nur ca. 50 cm hoch und muss erst einmal nicht geschnitten werden. Wenn sie irgendwann „alt aussieht“ (zerfleddert, teils kahle Triebe, nachlassender Ertrag), nach der Ernte rundum entschieden zurückschneiden.
- Vaccinium corymbosum ‚Blue Autumn‘, 1 bis 1,5 m, sollte in regelmäßigen Abständen von alten, sichtbar nicht mehr vitalen Trieben befreit werden (einzeln über die ganze Pflanze verteilt entfernen wie oben beschrieben).
- Vaccinium corymbosum ‚Bluecrop‘ wird bis zu 2 m hoch, neigt aber im unteren Bereich zum Verkahlen, wenn sie nicht jedes Jahr gründlich ausgedünnt wird.
- Vaccinium corymbosum ‚Blue Dessert‘ (‚Elizabeth‘) sollte genauso beschnitten werden, wie es oben beschrieben wurde, nur ein wenig zurückhaltender.
- Vaccinium corymbosum ‚Blueroma‘ (‚Darrow‘) wächst kräftig und muss deshalb jedes Jahr um mehrere Triebe erleichtert werden. Wenn frühe Fröste drohen, Schnitt bereits ansetzen, während die letzten Früchte reifen, damit der Strauch vor dem Winter noch die Schnittwunden verschließen kann.
- Vaccinium corymbosum ‚Bluesbrothers‘ sollte jedes Jahr von den ältesten, sichtbar nicht mehr so vitalen Trieben befreit werden (wieder einzeln über die ganze Pflanze verteilt entfernen).
- Vaccinium corymbosum ‚Brigitta Blue‘ muss pro Jahr nur von ein bis zwei der ältesten Triebe befreit werden.
- Vaccinium corymbosum ‚Buddy Blue‘ wird wie ‚Blueroma‘ beschnitten (klappt trotz der späten Reife ohne Frostschäden, weil das halbimmergrüne Gehölz bis in den Winter Schnittwunden schließen kann und insgesamt gut frostresistent ist).
- Vaccinium corymbosum ‚Duke‘ kann großzügig von Altholz befreit werden, weil sie für gute Holzerneuerung von der Basis her bekannt ist.
- Vaccinium corymbosum ‚Little Blue Wonder‘ für Flächenpflanzungen wird wenn überhaupt komplett zurückgeschnitten.
Probleme der Kulturheidelbeeren durch Schnitt lösen
Die Zuchtsorten der Garten- oder Kulturheidelbeere haben die gleiche Entwicklungsgeschichte hinter sich wie andere für den Erwerbsanbau gezogene Obstsorten. Da sich auch die zuchtbestimmenden Motive gleichen – es geht nicht um möglichst gute Pflanzen mit hocharomatischen Früchten, sondern um Pflanzen, die (deren Früchte) sich möglichst gut an möglichst viele Menschen verkaufen lassen. Vertrieb an möglichst viele Menschen bedeutet Vertrieb über den Massenhandel. Mit der beruhigenden Gewissheit, dass auch mangelhafte Ersatzprodukte (eines Originals, dessen Eigenschaften sie in Wirklichkeit nicht haben) bzw. neue Probleme verursachende Produkte umgesetzt werden. Es sind ja genug uninformierte und/oder unerfahrene Verbraucher unterwegs.
Denn die handelsoptimierte Gleichförmigkeit der Früchte aus dem Erwerbsanbau lässt sich nur mit einer Zucht erreichen, die im Gegenzug immer die gleichen typischen Probleme erzeugt:
- Die Zuchtsorten für den Erwerbsanbau sind krankheitsanfälliger als die in der Natur entwickelten Arten
- Bei importierten Arten kommt hinzu, dass sie einheimischen Krankheiten/Schädlingen ohne Abwehrstrategie ausgeliefert sind
- „Mit etwas Glück“ werden dafür mit der fremden Art auch gleich deren Krankheiten/Schädlinge importiert
- Die nordamerikanischen Kulturheidelbeere brachte z. B. das Godronia-Triebsterben und eine Gallmücke namens Prodiplosis vaccinii mit
- Wenn einheimische Krankheiten/Schädlinge auf neue Arten treffen oder fremde Schädiger importiert werden, ist die Bekämpfung oft schwierig
- Wenn die Pflanze abnormen Wuchs zeigt, ist die erste Maßnahme immer die Entfernung der geschädigten Pflanzenteile
- Mit deren separater Entsorgung kann das Problem erledigt sein, der Beschnitt kann aber auch Identifikationszwecken dienen
- Die Zuchtsorten für den Erwerbsanbau wachsen häufig stärker als die Natur-Art, erreichen dafür aber nicht deren Langlebigkeit (30-50 Jahre)
- Sie altern deshalb auch schneller und brauchen schneller einen radikalen Verjüngungsschnitt
- Dazu wird der z. B. unten verkahlte Strauch im Frühjahr auf rund 30 cm heruntergeschnitten
- Er baut sich nun komplett neu auf und wird in der übernächsten Saison wieder Früchte tragen
- Beratungsfreier Verkauf über den Massenhandel verursacht bei Hobbygärtnern typische Pflegefehler
- Mitunter sind diese Pflegefehler durch kräftigen Beschnitt der Pflanze zu korrigieren
- So beim blüten- und fruchtlosen Wuchern, das eine unangemessene Stickstoffdüngung verursachen kann
- Und bei Frostschäden an einer Kultur-Heidelbeere, die vor dem Winter nicht genug Kalium bekommen hat
- Oder überhaupt in die falsche Winterhärtezone gepflanzt wurde (unter den Zuchtsorten sind auch Heidelbeeren von den Azoren)
- Auch die Heidelbeere am falschen Standort wird vor dem Umpflanzen im Herbst komplett heruntergeschnitten, damit sie sich in Ruhe neu einwurzeln kann
Die (auch im Beschnitt) problemlose Heidelbeere
Sicher gibt es Menschen, die viel arbeiten müssen, und es gibt Menschen, die noch sehr jung sind; so uninformiert und/oder unerfahren Verbraucher aber auch sein mögen – es zeigt sich immer wieder, dass sie viel klüger sind als ausschließlich gewinnmotivierte Unternehmen unterstellen (und dass sie es übelnehmen, wenn unzureichender Informationsstand und/oder Unerfahrenheit ausgenutzt werden).
Die Gärtner unter den Verbrauchern sind auf jeden Fall nicht alle Fans der Kultur-Heidelbeeren, sondern viele von ihnen wissen, dass es neben den Heidelbeeren aus dem Gartencenter noch ganz andere Heidelbeeren gibt: Unsere ganz normalen einheimischen Heidelbeeren, die mit den amerikanischen Kultur-Heidelbeeren nicht viel mehr als die Gattung gemein haben; nicht mit ihnen gemein haben sie die Beeinflussung durch Zucht, weshalb sie ihre Inhaltsstoffe noch so entwickeln, wie die Natur sie einstmals erzeugt hat. Diese Inhaltsstoffe sind gemeint, wenn der gesundheitliche Wert der Heidelbeeren beschworen wird, Blätter an niedrigen Sträuchern und durchgehend blau gefärbte Beeren, die getrocknet als „Myrtilli folium“ und „Myrtilli fructus“ im Europäischen Arzneibuch stehen.
Diese gesunden Heidelbeeren wachsen am richtigen Standort ohne viel Pflege im Garten; und ihr Schnitt ist ähnlich unproblematisch: Wenn nach ein paar Jahren eine Verjüngung des sich ständig selbst weiter ausbreitenden Altbestandes gewünscht ist, werden kleinere Bestände rundum von Altholz befreit und größere Bestände einer nicht zu tiefen Mahd unterzogen. Muss aber nicht sein, wenn Sie genug Platz haben, lassen Sie Vaccinium myrtillus einfach wachsen.