Estragon, Artemisia dracunculus – Anbau, Pflege und Trocknen
Inhaltsverzeichnis
Estragon war früher einmal selbstverständlicher Bestandteil des Kräuterbeets im Küchengarten und geriet dann ziemlich gründlich in Vergessenheit. Nur die Spitzen-Gastronomie hat den köstlichen Estragon nie vergessen, dankenswerterweise, so kann er nämlich zusammen mit dem „Originalrezept vom Spitzen-Koch“ jetzt wieder unsere Küchen erobern. In Folge erobert er auch wieder den Kräutergarten – bevor der bepflanzt wird, sollte der Gärtner allerdings wissen, dass dieses Gewürzkraut in zwei recht unterschiedlichen Erscheinungen daherkommt:
Steckbrief Estragon
- Estragon gehört zur Pflanzenfamilie der Korbblütler und in dieser zur Gattung der Artemisiengewächse, wie Wermut, Beifuß und Eberraute
- Das wissenschaftlich „Artemisia dracunculus“ getaufte Kraut war früher umgangssprachlich als Bertram, Dragon, Eierkraut, Kaisersalat und Zittwerkraut bekannt
- Spricht dafür, dass unsere Vorfahren ihre Küchengewürze noch kannten
- Mit Aufkommen von Fastfood und Fertiggerichten geriet der Estragon bei uns ziemlich lange in Vergessenheit
- Er wird wiederentdeckt, seit in Deutschland wieder mehr gekocht wird
- Fürs Beet wird am meisten der Russische Estragon verkauft, ein robustes, aber geschmacklich eher enttäuschendes Kraut
- Das berühmte feine Aroma hat nur der Französische Estragon
- Der nicht aus Samen gezogen werden kann und auch als Jungpflanze nur schwer zu finden ist
- Wenn der Estragon erst einmal im Gartenbeet steht, ist seine Pflege unproblematisch
Gegen Verwirrung: Warum es zwei echte Estragons gibt
Estragon ist ein mehrjähriges Kraut mit eigentlich sehr charakteristischen schmalen, spitz zulaufenden Blättern, die leicht „unordentlich“ und kaum verzweigt dicht an dicht an Einzeltrieben wachsen. Diese senkrechten Triebe stehen ebenfalls dicht an dicht und bilden dichte Grünflächen.
Die Tücke an der Sache ist, dass es einige verschiedene Estragons mit und ohne Würzkraft gibt, darunter sogar gleich zwei „echte Estragons“, zunächst muss also ein wenig Ordnung ins Estragon-Wirrwarr gebracht werden:
Echter Russischer (oder Sibirischer) Estragon
Estragon entwickelte sich ursprünglich in den kälteren Regionen Russlands, von dort aus gelangte er mit den ersten fahrenden Gewürzhändlern vor langer Zeit nach Arabien und Europa (und verbreitete sich von da aus weiter, heute kennt man Estragon in den meisten Teilen der Welt, viel verwendet wird er sowohl in Amerika als auch in Indien).
Der biologisch „echte Estragon“ ist also der Russische oder Sibirische Estragon mit dem botanischen Namen Artemisia dracunculus var. inodora. Diese Kennzeichnung als Varietät ist ein Hinweis darauf, dass es sich nicht mehr um die echte Wildform, sondern um den ersten durch Zucht verbesserten Estragon handelt.
Diesen Estragon erhalten Sie, wenn Sie einfach nur „Estragon“ oder „Estragon-Samen“ verlangen. Er verträgt unser Klima bis zur letzten Extremkälte, bildet im Gegensatz zu den anderen Variationen der Art leicht Samen und macht mit seinen ziemlich breiten, an der Unterseite silbrig schimmernden Blättern an starken Trieben eine ziemlich gute Figur. Dieser Estragon lässt sich ganz leicht anziehen, wird deshalb von Gärtnereien / für den Handel am meisten angebaut und demzufolge auch am meisten verkauft.
Echter Französischer Estragon
Am französischen Hof hat der Estragon die wohl prägnanteste Verwandlung erfahren. Er wurde von französischen Gärtnern weiter durch Zucht veredelt zum Französischen Estragon Artemisia dracunculus var. sativa mit einem zarten, lieblichen, an Anis erinnernden Aroma. In dieser Variante hat er in der klassischen französischen Küche Karriere gemacht, sobald es um gastronomische Belange geht, ist französischer Estragon der „echte Estragon“.
Artemisia dracunculus var. sativa bildet zartere, längere, schmalere Blätter als der Russische Estragon aus, die sich leicht zerstreut um den aufrechten Trieb gruppieren, aber bis zu drei Prozent ätherisches Öl enthalten – gegenüber dem Russischen Estragon mit rund 0,1 Prozent ätherischem Öl ein vielfach intensiveres Aroma.
Der kleine Nachteil dieser Zucht-Variante ist, dass sie kaum Blüten und Samen produziert und deshalb nur vegetativ vermehrt werden kann. Gegenüber schlichter Aussaat ein mühsames Geschäft, weshalb Französischer Estragon nur von wenigen Kräuter-Fachgärtnereien produziert und angeboten wird.
Anbau
Die beiden grundsätzlich unterschiedlichen Hauptsorten des Estragons werden auch grundsätzlich unterschiedlich angebaut:
Russischen Estragon aussäen und pflegen
Sobald Sie Estragon-Samen in der Hand halten, haben Sie es sicher mit Russischem Estragon tun, er ist die einzige Samen bildende Zuchtvariante.
Eine Vorzucht ist möglich, je nach Region ab Mitte März und Ende April, fast überall in Deutschland bringt ein Vorzucht-Start Mitte April rechtzeitig auspflanzungsfähige Jungpflanzen hervor. Die Aussaatschalen werden mit nährstoffarmem Anzuchtsubstrat gefüllt, der Lichtkeimer wird aufgestreut und leicht ins Substrat gedrückt, die besten Keimtemperaturen liegen zwischen 18 und 25 °C. Die Aussaatschale mit Estragon braucht nicht abgedeckt werden, die Saat muss aber durchgehend feucht gehalten, weil die Keimlinge keine Trockenheit vertragen.
Je nach Keimtemperatur braucht der Estragon 7 – 14 Tage zum Keimen. Die Vorkultur wird Gartenbeet pikiert, zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die Direktaussaat des Estragons in den Garten möglich ist:
Auch für die Direktaussaat gelten die gerade genannten Keimtemperaturen, in den meisten Regionen Deutschlands ist der Boden Anfang Mai warm genug. Der Russische Estragon wird Sie in Bezug auf seine Standort-Ansprüche erfreuen, er nimmt mit einem Eckchen des Gartens vorlieb, an dem sich sonst nicht sehr viele Pflanzen wohlfühlen: Er kommt mit kargem Boden aus, entwickelt sich in diesem sogar besser als in nährstoffreicheren Böden. Er braucht nicht mehr Licht als Halbschatten, er soll nicht mehr Licht bekommen: Wenn Russischer Estragon in der Sonne wächst und es im Sommer heiß und trocken ist, entwickelt er ganz schnell Bitterstoffe, deren Geschmack den meisten Menschen unangenehm ist.
Dieser robuste Estragon darf jahrelang an derselben Stelle wachsen, auch bei Nachsaat und Verjüngung, das soll die Entwicklung des vollen Aromas fördern. Wenn die Keimlinge Ihre Köpfe ans Licht strecken, dürfen sie ein paar Tage wachsen, bis Sie Entwicklungsunterschiede wahrnehmen können. Dann wird ausgedünnt, nur die kräftigsten Keimlinge bleiben und sollten möglichst 50 x 50 cm für sich alleine haben. Klingt viel, heißt aber nicht mehr als dass der Abstand zur nächsten Estragonpflanze 25 cm beträgt. Das ist der Abstand, in dem der Estragon am schnellsten zu einem „geschlossen Verband“ zusammenwächst, in dem sich die Pflanzen gegenseitig beim Wachsen unterstützen.
Wenn vorgezogene Estragonpflänzchen (die es im Frühjahr häufig zu kaufen gibt) ins Beet ausgepflanzt wurden oder direkt angesäter Estragon sich zur Jungpflanze entwickelt hat, haben Sie mit der Pflege des Russischen Estragons nur noch dann etwas Arbeit, wenn Sie ihn daran hindern müssen, mit seinen Rhizomen das Nachbarbeet zu übernehmen.
Französischen Estragon pflanzen
Wenn Sie die oben erwähnte Kräuter-Fachgärtnerei mit Französischem Estragon (gesucht haben, weil Sie echte Sauce Bearnaise lieben, die heute auch in Restaurants meist aus der Tüte kommt) gefunden haben, haben Sie sicher auch ein paar Jungpflanzen des Französischen Estragons erworben.
Im Gegensatz zum robusten Verwandten haben diese zarten Pflänzchen einige Ansprüche:
- Nicht zu früh einkaufen gehen, Französischer Estragon ist frostempfindlich
- In dergestalt gefährdeten Gebieten erst nach den Eisheiligen pflanzen
- Standort: sonnig, warm, windgeschützt, feucht, nährstoffreich
- Im Abstand von 50 bis 60 cm pflanzen
- Von jungen Pflänzchen alle Konkurrenten (Unkräuter) fernhalten
- Immer gut feucht halten
- Niemals Staunässe aussetzen
- Für volles Aroma in der Haupt-Wachstumsphase Naturdünger geben (bei dem Sie sicher sind, dass er den Geschmacks nicht beeinflusst)
- Bei gutem Wachstum mit Stäben stützen
- Blattwerk durch regelmäßiges Auslichten der Stängel verdichten
- Blütenansätze behandeln wie unten bei „ernten und konservieren“ beschrieben
- In sehr kalten Wintern Winterschutz aufbringen
- Nicht längere Zeit am selben Standort kultivieren
Wenn der Französische Estragon einen Standort akzeptiert hat, wächst er gewöhnlich „zufrieden vor sich hin“, und in der übernächsten Saison hält er dann sogar den plötzlichen fiesen Frosteinbruch aus. Eigentlich schade, dass gerade dann die Zeit naht, um über den nächsten Standort für „Monsieur“ nachzudenken.
Ernten und konservieren
Wenige Wochen nach dem Auspflanzen ist der Estragon erntereif, je nach dem Zeitpunkt, an dem der Estragon ins Beet kam, zwischen Mitte Mai und Ende Juni. Er sollte dann auch geerntet werden, denn dann ist er kurz vor der Blüte; für Estragon der optimale Erntezeitpunkt, an dem er das meiste Aroma hat.
Während der Blütezeit würde das Aroma dann in die Blüte wandern, das Laub (Gewürzkraut) selbst würde merklich an Würzkraft einbüßen. Wie Sie damit umgehen, hängt davon ab, ob Sie eine bestimmte Sorte Gewürz lieber auf einmal abernten und alles zusammen für den Rest des Jahres konservieren (auch wenn das ein wenig Aromaverlust bedeutet) oder ob Sie Ihre verschiedenen Kräuter am liebsten so lange wie möglich bei Bedarf frisch vom Beet ernten.
Der erste Fall, Ernten und konservieren, ermöglicht einige Varianten der Konservierung:
- Estragon ernten
- Hier nur die Blätter, ohne Zweige
- Sie können bei der Ernte ganze Zweige schneiden
- Diese sollten dann aber zeitnah entblättert werden
- Gilt auch fürs Trocknen, Estragon wird nicht am Zweig aufgehängt
- Blatt und Zweig tauschen nach der Ernte Zellflüssigkeiten
- Beim Estragon steuern die Zweige nur herbe und bittere Aromen bei
- Die Inhaltsstoffe der Blätter wandern in den Zweig (und nicht in den Kochtopf)
- Ausgenommen von dieser Regel sind die Triebspitzen
- Soweit sie weich und biegsam sind, können sie im Ganzen verwendet werden
- So viel Estragon wie möglich sollte frisch verbraucht werden
- Die Blätter bleiben in einer Kunststofftüte im Kühlschrank eine Weile frisch
- Der nächste Schwung wird tiefgekühlt, im Eiswürfelbehälter mit wenig Wasser eingefroren
- Wenn Estragon gebraucht wird, wird ein Würfel entnommen
- Estragon kann in Weißweinessig, Öl, Senf konserviert werden
- Sollte aber in dieser Form bis zur nächsten Saison verbraucht werden
Erst ganz zum Schluss ist das Trocknen dran, was natürlich auch bei Estragon funktioniert, aber mit erheblichen Qualitätseinbußen im Aroma verbunden ist. Trotzdem: Auch wenn die Würzkraft des getrockneten Estragons nicht mit der frischen Estragons zu vergleichen ist, schmecken typische Estragon-Gerichte mit getrocknetem Estragon immer noch besser als ohne.
Im zweiten Fall, möglichst viel und lange frisch ernten, gehen Sie so vor:
- Ab Beginn der Entwicklung Blütenstände beobachten
- Knospen sind o.k., wenn diese anschwellen auch
- Sobald das erste gelbe Blütenblatt hervorlugt, wird der Blütenstand weggeschnitten
- Nun können Sie bis zum ersten Frost Estragon-Blätter ernten und frisch verwenden
- Oder gleich ganze zarte Triebspitzen, und dabei immer gleich den halben Trieb abschneiden
- Würzende Triebspitzen und Blätter abnehmen, das harte Reststück Zweig entsorgen
- So bilden sich bis kurz vor Ende der Saison neue zarte Seitentriebe