Brennesselsamen sammeln – alles über Ernte, Trocknen und Wirkung
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Brennnesselsamen sind kleine Wunder voll Geschmack und Heilkraft, die die Natur in großen Mengen gratis zur Verfügung stellt. Sie sind so leicht zu ernten, dass auch ungeduldigen Menschen schnell ein Erfolgserlebnis garantiert ist, schmecken gut und sind vielseitig einsetzbar. Damit der Ausflug zum Brennesselsamen sammeln noch lohnender wird, gibt es aber auch Tipps zur Verarbeitung der restlichen Brennnessel:
Brennesselsamen sammeln heißt: Wehrhafte Natur sammeln
Es gibt bestimmt Menschen, die sich darüber wundern, warum in einem Artikel über die Samen eines nützlichen Wildkrauts die Ernte dieser Samen thematisiert werden muss. Hat seinen Sinn: Während sicher richtig ist, dass jeder Mensch es hinbekommt, ein paar Brennnesseln zu suchen, abzurupfen und die Samen zu ernten; ist nicht gewiss, dass sich das jeder interessierte Mensch zutraut.
„Wer sein Essen in der Natur sammelt, muss sich auskennen, um sich nicht zu vergiften“, ist der häufigste Einwand gegen die „freie Lebensmittelbeschaffung“. Sicher richtig, aber wer z. B. sein Kind nicht zu hohen Prozentteilen mit Zucker ernähren oder mit dem Fleisch Antibiotika essen will, muss sich beim Einkauf im Ladengeschäft auch auskennen und die Brennessel erkennt jeder, der sie einmal in der Natur oder auf ein paar Fotos betrachtet hat.
Beziehungsweise die Brennnesseln, denn zu Ernährungs- und Heilzwecken können Sie Große Brennnesseln (Urtica dioica), Kleine Brennesseln (Urtica urens) und im Einzugsgebiet der Havel auch Röhricht-Brennnesseln (Urtica kioviensis) sammeln. Sonst gibt es bei uns nur noch die Pillen-Brennnessel Urtica pilulifera, selten und nur für Heilkundler zu gebrauchen; die restlichen 41 Arten der Gattung Brennnessel verteilen sich über den Rest der Welt. Da die Kleine Brennnessel nicht sehr häufig, kleinwüchsig, fies brennend und nicht samenreich ist und die Röhricht-Brennnessel nur einigen Auserwählten unterkommt, werden üblicherweise meist Große Brennnesseln gesammelt (was sich nicht nur bei den Samen am meisten lohnt).
Die Große Brennnessel ist überall auf der Nordhalbkugel heimisch, wo keine tropischen oder arktischen Temperaturen herrschen. Meist tritt sie in Versammlungen mehrerer bis vieler Pflanzen auf, weil sie über ihr kräftiges Rhizom Ausläufer und oft große Horste ausbildet. Als Stickstoffzeiger ist sie zu finden, wo der Boden (zu) viel Stickstoff enthält, z. B. in überdüngten Gärten, weitläufigen Gebieten rund um Gülle-gedüngte Felder, Unkrautfluren auf Schuttplätzen und Mistplätzen in Dörfern.
Denn Brennesseln können wirklich unangenehm piken … an dieser Stelle ist der Fernsehkoch übrigens ausgestiegen, er hat wohl als Kind unangenehme Erfahrungen mit dem Wildkraut gemacht. Wer selbst schon einmal richtig „verbrannt“ wurde, kann ihm sofort nachfühlen, die kieselsäureverstärkten Brennhaare an Blättern und Stängel „zecken“ umso unangenehmer, desto zarter und empfindlicher die Haut des betroffenen Menschen ist.
Bei geplanten Sammel-Ausflügen sind die Brennhaare aber nicht wirklich ein Problem: Mit langer Hose und langärmligem T-Shirt bekleidet und mit Handschuhen, Schere, großem Sammelbehälter „bewaffnet“ kommen Sie mit den Brennhaaren wohl kaum in Kontakt. Abgesehen von den Ernte-Tricks kommt es bei der Ernte von Brennnesselsamen aber auch noch auf die richtige Zeit an:
Wann trägt die Brennesseln Samen?
Samen sind in Fruchtständen von Pflanzen enthalten, Früchte entwickeln sich aus Blüten – Samen gibt es, wenn die Blütezeit vorbei ist; reife Samen ein wenig später.
Die Große Brennnessel blüht von Juli bis Oktober, ab August hängen die ersten Samenrispen an den Pflanzen. Dort reifen sie bis in den Oktober, November hinein, je nach Region, Standort und Wetter. Eine reiche Ernte ist von den weiblichen Brennnesseln zu holen, an ihnen hängen die Samenstände üblicherweise in reichgefüllter Pracht. Die männlichen Brennnesseln tragen ähnliche Rispen, nur weniger dicht bestückt und wegen des geringen Gewichts aufrecht wachsend – weil die Rispen keine Samen tragen, sondern Fäden mit Pollenkapseln zum Bestäuben der weiblichen Brennnesseln.
Sie können grüne = unreife oder braune = reife Samen sammeln, essbar sind beide. Die unreifen Samen eignen sich besser zur frischen Verwendung, die fast trockenen braunen Samen an bräunlichen Brennesselpflanzen eignen sich besser zum Trocknen und Aufbewahren. Sie haben den wunderbaren, nussigen Geschmack entwickelt und enthalten das volle Paket gesunder Inhaltsstoffe.
Die Ernte der Brennnesselsamen
So bringt die Brennesselernte die meisten Samen:
- Möglichst einige sonnige, trockene Tage abwarten, bevor Sie zum Sammeln aufbrechen
Folgende Ausrüstung sollte dabei sein:
- Oben beschriebene feste Kleidung und Handschuhe, große Schere
Und ein gut handhabbarer Sammelbehälter:
- Große blaue (Ikea-) Tüte oder großer flacher Karton, der mit Zeitungspapier auslegt wird
- Ab Mittag und bis zum Nachmittag haben die Samen unter Sonneneinstrahlung die meisten Inhaltsstoffe angereichert
- Auch das Trocknen geht ein gutes Stück schneller, wenn nicht erst Wasser auf der Pflanze wegtrocknen muss
- Grüne Samenstände hängen fest am Brennesselstamm, der abgeschnitten wird und in den Sammelbehälter wandert
Wenn die Samenstände trockener sind, verhindert folgende Vorbereitung Verluste schon beim Sammeln:
- Sammelbehälter unter einem Schwung Brennnesseln platzieren
- Stiele unten abbrechen und komplett in den Sammelbehälter fallen lassen bzw. legen
- Die ersten braunen Samen lösen sich bereits beim Stiel-Brechen, weitere auf dem Heimweg
Brennesselsamen trocknen
Profis, die aus „den Resten“ von Faserbrennnesseln Brennnesselsamenöl pressen, gehen so vor: Die Brennesseln werden zum optimalen Erntezeitpunkt Ende September bis Mitte Oktober geerntet. Die Brennnesselzweige werden gebündelt, kopfüber zum Trocknen aufgehängt und nach ausreichender Trocknung in ein Tuch ausgeschüttelt. Der Gelegenheitssammler hat seine Brennesseln nicht immer im Blick, die Ernte kann deshalb verschiedene Reife-Stadien der Frucht ergeben. Für diese empfiehlt sich jeweils ein etwas anderes Vorgehen:
1. Grüne Brennnessel-Samen können theoretisch von den Rispen getrennt werden; eigenen sich aber ohnehin nur zum sofortigen Verzehr und sollten von allen Menschen, die auch noch Zeit für andere Dinge brauchen, einfach mit den jungen grünen Brennesselblättern zusammen verzehrt werden.
2. Gut reife Brennnesselsamen werden getrocknet, klassisch und am besten an der Luft: Gesamtes Sammelgut im Sammelbehälter an einem trockenen warmen Platz abstellen, so dass gut Luft ans Sammelgut kommt. Aber keine volle Sonne, die hat auf die wertvollen Inhaltsstoffe bereits geernteter Samen, Früchte, Pflanzenteile eine eher negative Wirkung, da sie Abbau/Oxidation fördert. Ein paar Tage stehen lassen und gelegentlich mit der Hand lockern, dabei lösen sich weitere Samen.
3. Wenn Sie Brennesseln mit grünen Blättern und halbreifen Samenrispen geerntet haben, können Sie die ganze Ernte verwenden. Dazu müssen Sie die Samenrispen vom Stil streifen, mit Handschuhen und von unten nach oben. Die Blätter können nun separiert und für andere Zwecke verwendet werden, die Rispen werden getrocknet.
4. Nach ein paar Tagen Samen von den Rispen trennten: Über Bettlaken/Zeitung von den Stielen streifen und „durchkneten“, Samen auf der Unterlage zentrieren, in ein großes, grobes Sieb über einer ebenso großen Schüssel schütten und bewegen, bis alle Samen von den Rispenresten durchs Sieb gefallen sind.
5. Brennnesselsamen sind nie alle zur gleichen Zeit reif. Wenn Sie schon gut reife Samen geerntet haben, können Sie die paar grünen Samen einfach mit durchrutschen lassen. Sie schmecken nicht ganz so nussig und würzig wie der Rest und brauchen ein wenig länger zum Durchtrocknen. Deshalb sollten Sie die trockenen Samen in diesem Fall vielleicht besser in ein hohes Glas geben, in dem oben ein Stück leer bleibt. Das beschlägt, wenn noch zu viel Feuchtigkeit in den Samen ist, eine einfache und praktische Sichtkontrolle, die ggf. Anlass zum Nachtrocknen ist. Wenn Sie sehr früh geerntet haben, können Sie die reifen von den unreifen Samen trennen, indem Sie alle Samen in Wasser geben: Reife Samen sammeln sich am Grund des Gefäßes, unreife schwimmen oben. Nicht so geschickt, wenn die Samen anschließend getrocknet werden sollen; notwendige Vorbereitung, wenn Sie z. B. Brennnesselsamenöl pressen möchten.
6. Die vertrockneten Zweige und die bis auf Reste leeren Rispen können zu Brennesseljauche verarbeitet oder entsorgt werden (dies nur dann auf dem Kompost, wenn Sie demnächst gleich dort ernten möchten).
7. Die Samen werden in luftdichte Gläser gefüllt, die verschlossen und beschriftet werden. Der ideale Feuchtigkeitsgrad liegt übrigens bei 2-3 %, um den zu erreichen, geben Profis Trockenmittel mit in die Aufbewahrungsbehälter. Können Sie auch tun: Reis ist ein bekanntes Trockenmittel, muss aber wegen seiner organischen Bestandteile regelmäßig ausgetauscht werden.
Die Brennnessel: Ein Kraftpaket voller nützlicher Inhaltsstoffe
Was immer und wann immer Sie von der Brennessel ernten, Sie können es verwenden, denn an der Brennnessel sind wirklich nicht nur die Samen wertvoll. Hier eine kurze Einführung in die „Talente der Brennessel“:
Brennhaare
Schon die Flüssigkeit in den Brennhaaren hat es in sich: Jedes Brennhaar ist eine einzellige Röhre, die an der Spitze hart und spröde wie Glas ist. Das Köpfchen hat eine Sollbruchstelle und bricht deshalb bei der leisesten Berührung. Gedacht ist das als Schutzmechanismus gegen Fraßfeinde, die schräge, scharfe Bruchstelle sticht genau wie die Kanüle einer Spritze in die Haut des Opfers und entlässt seinen Inhalt mit einigem Druck in die Wunde.
Das verursacht kurz einen, brennenden Schmerz und später auf empfindlicher Haut juckende oder brennende Quaddeln, aber so richtig ungesund ist es nicht. So empfahl schon der gute alte Pfarrer Kneipp Rheuma- und Gichtgeplagten das „Nesselpeitschen“, und auch heute reibt mancher Mensch mit rheumatischen Beschwerden die schmerzenden Glieder lieber täglich mit frischen Brennnesseln ein, als Medikamente mit noch ganz anderen Nebenwirkungen zu schlucken.
Inzwischen weiß man, warum die brennenden Stoffe tatsächlich eine heilende Wirkung haben: Das im Nesselgift enthaltene Histamin verursacht die einer allergischen Reaktion ähnelnde Hautrötung, erweitert aber auch die Blutkapillaren und sorgt für Freisetzung des körpereigenen Gewebshormons Histamin, das eine ganze Reihe von Aufgaben im Körper hat. Zum Beispiel das ebenfalls enthaltene Acetylcholin besser durch die Haut zu lassen, und dieser Neurotransmitter ist zwar für den brennenden Schmerz verantwortlich, fördert aber zusammen mit dem gleichfalls im Brenn-Cocktail enthaltenen Serotonin auch ziemlich stark die Durchblutung, was Schmerzen lindert. Weitere positive Wirkungen sind im Gespräch und werden untersucht.
Brennnesselsamen
Die Brennnesselsamen enthalten ca. 25 – 33 % Öl (mit 74 – 83 % Linolsäure, knapp 1 % Linolensäure), Vitamin E und Carotinoide wie ß-Carotin, Lutein (anerkannte Wirkstoffe zur Erhaltung der Sehkraft und Vorbeugung einer Makuladegeneration). Auch hier werden zahlreiche weitere heilsame Wirkungen aufgeführt, auch hier gilt: Man muss nicht erst Brennesselsamen zu sich nehmen, wenn man eine der Krankheiten hat, gegen die die Brennnesselsamen wirken sollen. Sondern man kann sich gesund ernähren, bevor man eine dieser Krankheiten entwickelt hat.
Brennessselsamen sind durchaus ein kulinarischer Gewinn, sie schmecken ein wenig nach Nuss und ein wenig würzig. Wer wirklich kochen gelernt hat (und nicht nur Rezepte „nachbauen“), weiß genau, wie er sich an diesen neuen Geschmack herantastet; an Essen mit Genuss interessierten Menschen auf dem Weg zum selbständigen Kochen wird gewöhnlich das Ausprobieren der Brennnesselsamen in Müsli und Kräuterquark, Salaten und Saucen empfohlen. Die Samen können wie andere Samengewürze gemörsert und geröstet werden und entfalten dann wieder neue Geschmacksnuancen.
Aus den Samen kann auch wertvolles Brennnesselsamenöl gepresst werden, entweder mit der Ölmühle bzw. Ölpresse oder durch Mazeration z. B. mit Sesamöl. Das hochwertige, dickflüssige Speiseöl wird tropfenweise eingesetzt wo immer ein gutes Kräuteröl passt.
Brennnesselblätter
Die Blätter der großen Brennnessel enthalten Mengen an Vitalstoffen, darunter Mineralien (Magnesium, Kalium, Silizium, Eisen), Vitamine (A und C), Flavonoide (Quercetin- und Kämpferolglykoside) und den Entzündungshemmer Kaffeoyläpfelsäure. Die Trockenmasse enthält stolze 30 % Eiweiß, die Wurzel Phytosterole, Cumarin, Lignane, Lectine.
Brennnesselblätter wirken entzündungshemmend und entwässernd, z. B. bei erkrankten Harnwegen, Rheuma und zur Vorbeugung gegen Nierensteine. Als Kur genossen regen sie den gesamten Stoffwechsel an und entgiften den Körper sanft, äußerlich sollen Brennnessel-Auszüge fettiges und dünnes Haar verbessern und den Haarwuchs fördern, und es werden noch einige andere positive Wirkungen des Brennnesselkrauts propagiert.
Sie können als Tee getrunken, als Suppe, Spinat, Kräuterbutter, Pesto oder Smoothie verzehrt werden und für zahlreiche kosmetische und gärtnerische Anwendungen weiterverarbeitet werden. Den besten Geschmack bieten die Triebe/Triebspitzen im Frühjahr, im Tuch wringen, sehr fein schneiden, mit dem Nudelholz durchwalken, kräftig abduschen, blanchieren oder kochen verleidet den Nesselhaaren das Piken. Ältere, ab dem Frühsommer gesammelte Brennnesselblätter sollten besser für äußere Anwendungen verwertet werden, weil sich in ihnen Zystolithe (Calciumcarbonat-Ablagerungen) anreichern, die bei Verzehr die Nieren reizen können.