Bilsenkraut, Hyoscyamus niger – Pflege der Pflanzen
Inhaltsverzeichnis
Das Schwarze Bilsenkraut gehört zu den klassischen deutschen Hexenpflanzen, ist aber leider so giftig und noch dazu so schwer einschätzbar, dass heute von jeder Anwendung abgeraten wird. Was die moderne Hexe bzw. den modernen Hexer nicht hindern soll, sich einen Hauch der alten Magie in den Garten zu pflanzen – das Schwarze Bilsenkraut entwickelt immerhin eine so außergewöhnliche Wuchsgestalt und so ungewöhnliche Blüten, dass jeder Besucher staunen wird. Die Pflege des Bilsenkrauts verursacht wenig Aufwand, Sie müssen nur wissen, wie Sie die zweijährige Pflanze zur vollen Prachtentfaltung bringen:
Steckbrief
- Hyoscyamus niger gehört zur Ordnung der Nachtschattenartigen
- Familie Nachtschattengewächse, wie Tollkirsche und Stechapfel
- Die drei bilden das Trio der bekanntesten deutschen „Hexenpflanzen“, die früher gerne „für magische Zwecke“ eingesetzt wurden
- Sie enthalten verwandte Tropanalkaloide, die aufregende halluzinatorische Erlebnisse vermitteln
- Aber auch ganz schreckliche Erlebnisse, vom gruseligen Traum bis zum Tobsuchtsanfall
- Wegen winzigem Toleranzbereich zwischen Schwellendosis (= Wirkung) und letaler Dosis (= ✟) wird heute von der Anwendung abgeraten
- Aus der gut 20 Bilsenkräuter umfassenden Gattung sind bei uns nur das Schwarze und das ähnlich wachsende weiße Bilsenkraut beheimatet
- Von denen ist das Schwarze Bilsenkraut das weitaus attraktivere und inhaltsreichere „Hexenkraut“
- Wuchswillig und einfach zu ziehen und auf jeden Fall ein Hingucker
- Aber ganz sicher fehl am Platz in jedem Garten, zu dem (möglicherweise) Kinder Zugang haben
Ansprüche an den Boden, Wuchsgestalt
Das Schwarze Bilsenkraut besiedelt in der Natur bevorzugt Weges- und Straßenränder, Brachland und Schuttplätze, weil es dort ausreichend stickstoffhaltigen Boden findet. Theoretisch in ganz Europa, zu finden ist es aber nur noch so selten, dass es in die Rote Liste der gefährdeten Pflanzenarten aufgenommen wurde.
Das Nachtschattengewächs wächst in jedem Gartenboden, der reichlich bis übermäßig stickstoffreich ist und in jedem Gartenboden mit einem durchschnittlichen bis normalen Nährstoffgehalt. Wenn Sie genug Licht bekommt, wächst die Pionierpflanze für gestörte Ruderalstandorte ungerührt im Schotterboden an Mauerrändern und in stickstoffreichen, aber sonst prekären Sand- oder Lehmböden. Ein wenig Beschattung von einem weiter weg stehenden, hohen Baum wird gewöhnlich geduldet, wenn genug Sonne „übrig bleibt“. Halbschatten durch nahe, niedrige Büsche kann Pionierpflanze bereits zur Verzweiflung (= Absterben vor Aussamen) bringen, weil sie in der Natur nur freie Standorte besiedelt.
Die stattliche Pflanze wird 50 bis 90 cm (und manchmal auch 170 cm) hoch und streckt ihre spindelförmige (nach oben hin rübenförmige) Wurzel bis zu 55 cm tief in den Boden. Da die Wurzel recht kräftig ist, schafft das Bilsenkraut es vermutlich sogar, die Wurzel in einen nicht super lockeren Unterboden zu strecken. Dann darf der Oberboden darüber aber keinesfalls auch noch so verdichtet sein, dass die Wurzel bei stärkerem Regenfall in Staunässe badet.
Der kräftige Stängel darüber ist behaart und wird im unteren Bereich von den paarweise abgehenden Blättern umwachsen, die interessante Längen und Breiten erreichen. Die Blätter selbst sind länglich-oval und zum Rand hin gezähnt, ein wenig wie riesige Löwenzahnblätter. Nach oben hin werden die Blätter kürzer und schmaler und entwickeln einen schmalen Stiel, in den entstehenden Zwischenräumen erscheinen die Blüten, häufig in einer ganzen Reihe nebeneinander.
Diese Blüten sind ungewöhnlich groß und glockenförmig und ungewöhnlich gefärbt: Grundfarbe Creme bis Hellgelb, aber durchzogen von dunklen Adern, die sich im dunkelviolett-schwarzen Boden des Blütenkelchs vereinen. Die Blüte zeigt sich lange, von Juni bis Oktober, und Sie werden gleich noch erfahren, warum Sie sich von dem im Mittelalter „Teufelsauge“ genannten Blüten am besten aus einiger Entfernung „beobachten lassen“.
Ob sich die Blüten in der Saison nach dem Pflanzen zeigen oder erst im nächsten Jahr, hängt von Pflanzzeit und Schnelligkeit der Pflanzenentwicklung ab. Das im Frühjahr gekeimte und normalschnell wachsende Bilsenkraut entwickelt im ersten Jahr nur eine am Stängelgrund aufsteigende Blattrosette und erst im darauffolgenden Jahr Blüten (in reichlicher Zahl). Sehr früh gekeimte Schwarzes Bilsenkräuter können eine so schnelle Entwicklung „hinlegen“, dass sie noch in der gleichen Saison Blüten entwickeln; wie Sie mit denen am besten umgehen, erfahren Sie gleich unten bei Pflege.
Die Standortwahl: Eine Pflanze für spezielle Standorte
Geeignete Standorte für ein Schwarzes Bilsenkraut gibt es meist an mehreren Stellen im Garten. Es gibt aber gute Gründe, ein Schwarzes Bilsenkraut nicht gerade unmittelbar neben dem Sitzplatz oder überhaupt vorne im Garten anzusiedeln, sondern ganz im Gegenteil ziemlich weit hinten im Garten und weit fern von jedem begangenen Weg:
Der kräftige Stängel ist nicht nur behaart, sondern diese Drüsenhaare sind mit klebrigem Sekret besetzt, das meist als „stark aromatisch riechend“ beschrieben wird. Es gibt aber durchaus Menschen, die weniger diplomatisch sind: Von „riecht unangenehm“ über „Blätter verströmen narkotischen Geruch“ bis zu „stinkt nach schlechtem Tabak“ ist alles dabei. In England heißt das Schwarzes Bilsenkraut „Stinking Nightshade“ (stinkender Nachtschatten); und es darf uns vorsichtig machen, wenn die garten- und naturbegeisterten Engländer einer Pflanze einen solchen Namen verpassen.
Nach der Blüte entwickelt sich das „Schwarzes Bilsenkraut“ Früchte in „schicken Deckelkapseln am Stiel“, die jeweils 300–400 Samen beinhalten. Wenn der Samen reif ist, vergrößert sich der Kelch dieser Kapseln, so dass die Kapsel zum Windfang und bei ausreichend starkem Wind auch zum Windstreuer wird. Zur Fruchtreife des Schwarzes Bilsenkraut von August bis Oktober weht in Deutschland öfter Wind, weshalb sich das Bilsenkraut am gewählten Standort im Zweifel kräftig aussamt.
Das Schwarze Bilsenkraut steht deshalb am besten an einem Ort im Garten, wo die aparte Wuchsgestalt und die so lebendig wirkenden Blüten aus einiger Ferne bewundert werden können, ohne dass man der Pflanze unbedingt näher kommen muss.
An solchen Standorten kann das Schwarzes Bilsenkraut einige spezielle Aufgaben im Garten übernehmen:
Der erste Spezialfall für Schwarzes Bilsenkraut ist der mit Sinn für das Außergewöhnliche gestaltete „Garten für Individualisten“, in dem gezielt besondere Pflanzen als Hingucker gepflanzt werden. Das Schwarzes Bilsenkraut ist ohne Zweifel eine Pflanze mit interessanter Wuchsgestalt.
Man kann sich gut vorstellen, dass die imposante Pflanze mit dem geometrisch sehr reizvoll angeordneten Blattwerk an einer exponierten Stelle des Gartens zum bewunderten Blickfang wird. Das Schwarze Bilsenkraut bietet sich für besondere Gestaltungsaufgaben auch wegen seiner schnellen Entwicklung an, schon in der ersten Saison macht es richtig was her.
Der zweite Spezialfall für Schwarzes Bilsenkraut ist die „Gründüngung andersherum“, z. B. in einem kürzlich übernommenen Garten, der zu einem Naturgarten mit gepflegtem Boden werden soll, aber von den Vorbesitzern im „konventionellen Stil“ gepflegt wurde. Gemeint ist der in der Nachkriegszeit im Verbund mit der Chemie-Industrie entwickelte konventionelle Stil, der die Ernährung der damals hungernden Bevölkerung z. B. durch Einsatz schnell pflanzenverfügbarer Kunstdünger sichern wollte (im Gegensatz zum Gärtnern nach jahrhundertealten Traditionen, in dem die Pflanzen über langsam wirkende Naturstoffe versorgt werden). Der Kunstdünger hat den Nachteil, dass er eigentlich grammgenau berechnet werden muss und erfahrungsgemäß zu Überdündung führt, wenn das – wie im Privatgarten üblich – nicht geschieht (weshalb die Böden in sehr vielen Privatgärten zu viel Stickstoff angereichert haben).
Wenn der Boden Nitrophyten (Stickstoff-Zeigerpflanzen) wie Brennnessel, Kletten-Labkraut, Melde, Vogelmiere und Löwenzahn in einem Umfang hervorbringt, der jede klärende Bodenanalyse überflüssig macht, können Sie den überreich mit Stickstoff gesegneten Boden mit dem Schwarzes Bilsenkraut „entreichern“, bis er wieder Normalwerte hat.
Pflege und Überwinterung des Schwarzes Bilsenkrautes
Wenn das Schwarzes Bilsenkraut ausgesät wurde (leicht mit Erde bedecken) und gekeimt ist, haben Sie in Bezug auf die Pflege nicht mehr viel zu tun.
Bilsenkraut an freien Standorten verdunstet mit sämtlichen Blattflächen und braucht deshalb bei längerer Hitze trotz tiefreichender Wurzel zusätzliche Bewässerung.
Wenn Sie sehr früh ausgesät haben oder das Schwarzes Bilsenkraut sofort gekeimt ist und/oder eine so schnelle Entwicklung „hinlegt“, dass es noch in der gleichen Saison Blüten entwickelt, ist das Vorgehen Abwägungssache: Wenn es schon spät im Jahr ist, wäre es nur der halbe Spaß, wenn Sie diese Blüten wachsen lassen: Es werden meist nur wenige Blüten entwickelt, denen auch noch meist der purpurne Blütenfarbstoff fehlt. Zu spät und spärlich erscheinende Blüten sollten Sie deshalb in der ersten Saison lieber opfern (wegschneiden), damit sich das Schwarzes Bilsenkraut in der zweiten Saison zu voller Pracht entwickelt.
Wenn Sie diese Blüten nicht wegschneiden, gehen Sie sogar die Gefahr ein, dass die paar Blüten „vom Bilsenkraut als ausreichende Fortpflanzung empfunden werden“. In diesem Fall gäbe es kein zweites Jahr; wenn ein Schwarzes Bilsenkraut seine Pflicht (Fortpflanzung) getan hat, stirbt es ab.
Wenn die Blüten zu Früchten und Samen reifen konnten, ist der Fortbestand immer dann gesichert, wenn die Pflanze sich aussäen kann und Sie dafür sorgen, dass sich konkurrenzfähigere Arten (z. B. Quecken, Giersch und Brennnesseln) nicht in einem größeren Maße ausbreiten. Denn die würden das Bilsenkraut überwachsen, das unter der kräftigen Beschattung nicht mehr gut gedeiht.
Sie können die Samen natürlich auch einsammeln, um sie in der nächsten Saison (woanders) auszusäen. Oder in der übernächsten Saison. Sie können sich mit der erneuten Aussaat ziemlich Zeit lassen, Samen vom Schwarzes Bilsenkraut bleibt unglaubliche 600 Jahre keimfähig (und muss auch nicht stratifiziert werden vor der Neuaussaat, Warmkeimer).
Wenn Sie Ihr Schwarzes Bilsenkraut sehr früh im Jahr angezogen haben und die Blüten nicht weggeschnitten haben, wird das Schwarzes Bilsenkraut nach der Saison absterben. Wenn die Samen nicht ausreifen konnten, können Sie Bilsenkraut für die nächste Saison sichern, indem Sie rechtzeitig Stecklinge schneiden und überwintern. Die Stecklinge brauchen während der Überwinterung ausreichend Nährstoffe, Licht und Wärme (mindestens 10°C).
Vorsicht: Kein Heilkraut
Früher war das „deutsche Hexenkraut Nr. 3“ eine wichtige Heilpflanze, die z. B. eingesetzt wurde, um starke Schmerzen zu lindern und schwere Entzündungen zu bekämpfen. Früher gab es aber auch noch Hexen mit den notwendigen Kenntnissen, um die Kranken mit Bilsenkraut zu behandeln, ohne sie dabei umzubringen.
In der Hexenverfolgung der frühen Neuzeit wurden die Hexen umgebracht, wobei „ihr Bilsenkraut“ in den Hexenprozessen gleich nutzbringend eingesetzt wurde: Man gab den angeblichen Hexen Bilsenkraut, damit sie im folgenden Rausch ein Geständnis ablegten. Schwer nachvollziehbare Logik, aber wenigstens bekam die „Hexe“ nach der erfolgreich erpressten Selbstbezichtigung aus Mitleid noch mehr Bilsenkraut, so war sie bei der anschließenden Hinrichtung entweder völlig bedröhnt oder sowieso schon tot.
Mit Ausrottung der angeblichen Hexen (kräuterkundigen Frauen) ging das bis zum Mittelalter mündlich übertragene Wissen verloren; jeder heutige Einsatz von Bilsenkraut wird damit wieder zum riskanten Selbstversuch. Sehr riskanten Selbstversuch, Bilsenkraut entwickelt in jedem Pflanzenteil andere Alkaloidkonzentrationen, der Giftgehalt schwankt aber auch mit den Nährstoffen, Temperaturen, Lichtstärken, denen die Pflanze ausgesetzt war.
Sicher wissen wir nur, dass schon Milligramm der Alkaloide tödlich wirken, z. B. sollen 15 Samen einem gewichtsmäßig nicht näher bezeichneten Kind den Garaus machen. An Kräutern und ihren Inhaltsstoffen interessierte Menschen finden viel Stoff zum Schwarzes Bilsenkraut im Buch des Ethnobotanikers Wolf-Dieter Storl über die „Götterpflanze Bilsenkraut“.